Christine Bastian erläutert den Starkregenatlas, an dem die Wasserwirtschaftsverwaltung derzeit arbeitet und der kurz vor dem Abschluss steht

Dieser Beitrag ist ein Following-up-Artikel des Beitrags: Starkregen und Überschwemmungen: Wie lassen sich die Ausmaße im Vorfeld abschätzen?

Es gibt mehrere Möglichkeiten, um auf die Herausforderung durch Starkregen und Hochwasser zu reagieren. Eine davon ist der Starkregenatlas, an dem die Wasserwirtschaftsverwaltung derzeit arbeitet.

 „Wir haben ein Modell mit einer digitalen Topographie erstellt und dieses dann beregnen lassen“, erklärt Christine Bastian, Mitarbeiterin der Wasserwirtschaftsverwaltung. Dafür sei vorerst ein Niederschlag von 60 Millimetern in einem Zeitraum von einer Stunde simuliert worden. Und dann habe man geschaut, wo sich das Wasser sammelt, so die Leiterin der Abteilung für Hydrologie. „Wir haben ein Raster von zwei auf zwei Meter, das Modell ist also recht präzise“, fügt sie hinzu.

Starkregenatlas soll Gemeinden als Planungstool dienen um Hochwasser zu vermeiden

Wenn der Atlas fertig ist, soll er vor allem der Sensibilisierung der Bevölkerung dienen und aufzeigen wo es zu Überschwemmungen kommen kann im Fall von Starkregen. Außerdem kann die Feuerwehr sich auf die identifizierten Gefahrenpunkte einstellen und ihre Einsatzpläne dementsprechend ausarbeiten. 

Gedacht ist er aber auch als informatives Planungstool für Gemeinden. Damit diese zum Beispiel wissen, welche Maßnahmen sie vor Ort treffen können, um das Risiko von Überschwemmungen zu minimieren. „Bei Starkregen können ein paar Zentimeter Bordsteinhöhe viel ausmachen“, sagt Bastian. Darüber hinaus zeige der Starkregenatlas den Gemeinden auch, wo die Ausweisung von Neubaugebieten eher kontraproduktiv sein könnte.

Versiegelte Flächen begünstigen Hochwasserereignisse, sind aber nicht immer Ursache des Problems

Der hohe Grad an versiegelter Fläche in Luxemburg mache den Hochwasserschutz nicht unbedingt leichter, sagt Bastian. Allerdings habe es sich bei den Starkregenhochwassern von 2016 und 2018 um ein kaum versiegeltes Gebiet gehandelt. Es spielten viele Faktoren eine Rolle. Und auch wenn der Starkregenatlas in Abstimmung mit den technisch Verantwortlichen vor Ort erstellt wird, so ließen sich eben nicht alle Eventualitäten berücksichtigen. „Wenn irgendwo eine Brücke oder ein Durchlass durch einen mitgeschwemmten Baum versperrt wird, dann ist die Situation plötzlich eine andere“, so die Hydrologin.

„Vermeiden können wir die Hochwasser nicht, wir können damit aber die Schäden minimieren“, stellt die Mitarbeiterin des Wasserwirtschaftsamts klar. Bei allem, was man zum Hochwasserschutz unternehme, müsse man auch immer die Verhältnismäßigkeit im Auge behalten. 

Klimawandel erschwert Voraussagen 

Überall Dämme zu errichten, sei nicht umsetzbar und allein schon aus ökologischer Sicht der falsche Weg. Wichtig sei, in der Bevölkerung ein Bewusstsein zu schaffen. Das fange bei Renaturierungen an und ende mit privaten Maßnahmen wie beispielsweise einer Dachbegrünung oder der Verwendung von Rasengittersteinen statt wasserundurchlässigem Pflaster.

Man könne nicht alle Kanäle so dimensionieren, dass sie einem 100-jährigen Regenereignis gerecht würden, sagt Bastian. Die Häufung der Starkregenereignisse in der Vergangenheit schmeiße die Einordnung aber auch ein Stück weit über den Haufen. „Früher haben wir uns immer auf 30-jährige Klimaperioden gestützt“, erklärt sie. „Doch mittlerweile hat sich das Klima so verändert, dass das gar nicht mehr passt.“

Die Auslöser für extreme Wetterereignisse haben sich verändert

Dass sich der Grundzyklus der Wetterereignisse verändert hat und die Statistik von Extremereignissen deshalb hinterfragt werden muss, meint auch Laurent Pfister, Forscher am Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST). Und die Ergebnisse, zu denen er, seine Kollegin Audrey Douinot und weitere Forscher des LIST und der Wasserwirtschaftsverwaltung gekommen sind, bestätigen das. Die Experten haben die Wetterdaten der Zeiträume 1954 bis 1985 sowie 1985 bis 2018 ausgewertet und festgestellt, dass es extreme Wetterereignisse natürlich auch schon früher gab, die Faktoren, die dazu führen, inzwischen aber andere sind. 

„Wenn wir uns bei den aufgezeichneten Starkregenereignissen der vergangenen Jahrzehnte auch jeweils immer die drei Tage davor anschauen, erkennen wir signifikante Unterschiede“, erklärt Douinot. Im Zeitraum 1954 bis 1985 hätten sich die extremen Niederschläge bei anderen Wetterlagen als in jüngerer Zeit ereignet. „Bei den jüngeren Ereignissen scheint es tendenziell eher mit einem meridionalen Wettertyp und insbesondere mit einer Zirkulation aus dem Südwesten oder dem Südosten zusammengehangen zu haben“, fügt sie hinzu.

Bei Klimawandel herrscht wissenschaftlicher Konsens

Douinot und Pfister haben keinen Zweifel daran, dass die Zunahme an Extremereignissen und die Veränderung der Auslöser Folgen der globalen Veränderung sind. Dass es aber immer noch Menschen gibt, die den Klimawandel in Frage stellen, ist beiden bewusst. „Ich habe nichts dagegen, wenn Leute der Sache skeptisch gegenüberstehen“, sagt Pfister. „Man sollte sich aber bei aller Skepsis schon im Klaren darüber sein, dass es unter den Wissenschaftlern, was den Klimawandel betrifft, einen auf globalen Beobachtungen basierenden Konsens gibt.“

Autor: Uwe Hentschel

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