Etienne Schneider

(c) Ministère de l'Economie

"Als kleines Land müssen wir von Zeit zu Zeit etwas wagen", sagt Minister Etienne Schneider.

science.lu: Minister Schneider, das Vorhaben Bergbau auf Asteroiden zu betreiben, klingt verrückt: Raumschiffe fliegen durchs Weltall, landen punktgenau auf rasend schnellen Asteroiden und entnehmen diesen Mineralien oder Wasser, um sie im Weltall zu nutzen oder zur Erde zurückzubringen… Weshalb denken Sie, dass es sich für Luxemburg lohnt, bei diesem Vorhaben mitzumischen?

Etienne Schneider: Steve Jobs sagte einmal: „Stay hungry, stay foolish.“ Dieses Motto gefällt mir. Als kleines Land müssen wir von Zeit zu Zeit etwas wagen. Damit waren wir in der Vergangenheit immer wieder erfolgreich. Um nur ein Beispiel zu nennen: Als SES in den 80er Jahren Telekommunikationssatelliten ins All schießen wollte, war das für viele undenkbar und eine verrückte Idee. Heute ist SES, u.a. dank der Unterstützung des luxemburgischen Staates, der weltweit größte kommerzielle Satellitenbetreiber.

Aber insgesamt ist das Projekt Space Resources so verrückt nun auch nicht. Die Technologien dafür gibt es zu einem großen Teil bereits heute und wurden auch schon in der Vergangenheit mit Erfolg angewandt. Nichtsdestotrotz ist das langfristige Ziel, Bergbau auf Asteroiden zu betreiben, noch weit weg und sehr visionär. Doch der Weg dorthin ist das Ziel. Und Luxemburg profitiert schon jetzt davon.

science.lu: Inwiefern?

Etienne Schneider: Einerseits profitiert Luxemburg von der internationalen Aufmerksamkeit, die uns durch das Projekt zuteilwird. Andererseits haben sich dadurch bereits einige Firmen in Luxemburg angesiedelt, u.a. die US-Unternehmen Planetary Resources und Deep Space Industries, sowie ispace aus Japan. Über 50 weitere Firmen haben Interesse angemeldet, sich entweder hier niederzulassen oder mit Luxemburg zu kooperieren. Außerdem haben wir ohnehin schon Forschungsaktivitäten und Firmen hier in Luxemburg, die direkt oder indirekt im Weltraumsektor aktiv sind. Sie können sich an den nötigen Entwicklungen beteiligen, um das langfristige Ziel zu erreichen.

science.lu: Ist das Weltall aus wirtschaftlicher Perspektive überhaupt ein lohnendes Ziel?

Etienne Schneider: Ja, absolut! Die Aktivitäten im Weltraum nehmen immer weiter zu, immer mehr Privatunternehmen werden aktiv im Weltall – bei Virgin stehen über 500 Leute auf der Warteliste für einen Weltraumflug. Außerdem befinden sich quasi unendlich viele Rohstoffe im Weltall. Was bisher ein wirtschaftliches Problem für Weltraumaktivitäten ist, sind die teuren Starts von Raketen. Um ein paar Kilogramm ins All zu befördern, brauchen wir riesige Raketen mit enorm viel Treibstoff, um der Erdanziehungskraft zu entkommen. Doch gerade Space Mining kann dazu beitragen, dass Aktivitäten im All in Zukunft stark zunehmen und wirtschaftlich rentabler werden.

science.lu: Sie meinen, weil durch Asteroiden-Bergbau Materialien im All verfügbar werden und nicht mehr aufwendig von der Erde ins All gebracht werden müssen?

Etienne Schneider: Genau. Ein Ziel ist es z.B. Asteroiden oder dem Mond Wasser zu entnehmen und sozusagen Wasser-Tankstellen im All zu errichten. Wasser kann, mit Hilfe von Solarzellen, in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten werden und als Treibstoff dienen. Raketen bräuchten also weniger Treibstoff beim Start, was sie leichter und somit billiger macht. Das Wasser könnte auch zur Versorgung von Astronauten dienen.

Eine andere Idee ist die, dass man Satelliten im All mit Materialien reparieren könnte, die aus Asteroiden-Bergbau stammen. Mit 3D-Druckern könnte man die Materialien sofort im All verarbeiten und die Satelliten mithilfe von Robotern reparieren. Erfolgreiche Tests mit 3D-Druckern wurden bereits im All durchgeführt. Dies würde einerseits die Einsatzdauer von Satelliten verlängern, denn bisher werden diese bei größeren Schäden in der Regel abgeschaltet und schwirren als Weltraumschrott durch das All. Andererseits würde es also auch dazu beitragen, das Problem des Weltraumschrotts in den Griff zu bekommen – was unbedingt nötig ist, wenn wir Weltraumaktivitäten ausweiten wollen.

science.lu: D.h. das Hauptziel beim Space Mining ist nicht, wie oft in den Medien geschrieben wird, Rohstoffe zur Erde zurückzubringen, sondern vielmehr sie im Weltraum zu nutzen?

Etienne Schneider: Ja. Obwohl es bei einigen Mineralien ziemlich wahrscheinlich auch irgendwann rentabel wird, sie auf die Erde zurückzubringen. Aber alles zu seiner Zeit. Space Mining ist das langfristige Ziel. Mittelfristig braucht es noch viele technische Entwicklungen. Und die müssen viele Partner in vielen Bereichen gemeinsam angehen. Und Luxemburg soll hier seine Nischen finden.

science.lu: In welchen Bereichen ist Luxemburg denn schon gut aufgestellt?

Etienne Schneider: Z.B. in der Materialforschung, bei Telekommunikationslösungen und der Satellitentechnik, im 3D-Druck, der Logistik oder der Robotik. Wir werden aber auch unseren High Performance Computer zur Verfügung stellen und auf das Knowhow zurückgreifen können, das es hier in Luxemburg in der Rechtsforschung und im Finanzwesen gibt. Luxemburg bietet ein gutes Gesamtpaket an Knowhow und Infrastruktur.

science.lu: Weltraumaktivitäten treiben allgemein die technologische Entwicklung an. Gibt es Beispiele, wo Entwicklungen für das Space Mining Projekt Hand in Hand gehen mit Entwicklungen, die auf der Erde genutzt werden?

Etienne Schneider: Die gibt es. Ein Beispiel, das ich besonders spannend finde: Es gibt mehrere tausend Asteroiden, die von der Erde aus gut erreichbar sind. Für Space Mining ist es wichtig zu wissen, welcher genau am interessantesten für Bergbau ist: Welcher besitzt am meisten Mineralien oder Wasser? Satelliten können Informationen über die Beschaffenheit der Asteroiden liefern. Doch diese Technik muss noch weiter erprobt und verbessert werden. Gleichzeitig werden hier auf der Erde immer mehr Satelliten für Erdbeobachtungen eingesetzt. Beide Entwicklungen gehen Hand in Hand, man muss quasi nur die Satelliten umdrehen.

Um das zu veranschaulichen: Ich war vor kurzem in Portugal auf einem Weingut. Die Satellitentechnik erlaubt es heute schon, den Zuckergehalt einzelner Trauben zu ermitteln. Die Winzer profitieren davon, indem sie, basierend auf diesen Informationen, die Trauben zum besten Zeitpunkt ernten, Rebstock für Rebstock. Gleichzeitig wird durch diese Anwendung die Technik immer besser und in Zukunft dem Asteroiden-Bergbau nutzen. Dieselbe Satelliten-Technik wird auch bei Wetteranalysen oder im Katastrophenschutz genutzt, wie z.B. bei emergency.lu. Das Projekt Space Resources ist also keineswegs bloß Science Fiction. Wir sind bereits mittendrin.

science.lu: Luxemburg hat sich als bedeutender Player im Space Mining etabliert, indem ein spezielles Gesetz mit Hilfe der Universität Luxemburg geschaffen wurde, das die Besitzverhältnisse beim Abbau von Ressourcen im Weltall regelt. So ein Gesetz kann ja jedes Land einfach kopieren. Dann wären wir nicht mehr die einzigen in Europa mit solch einem Gesetz und könnten von anderen Ländern verdrängt werden?

Etienne Schneider: Natürlich kann das vorkommen. Und es ist eine Illusion anzunehmen, dass wir uns als einziges europäisches Land in diesem Bereich etablieren. Es ist sogar wichtig, dass immer mehr Partner dazukommen, damit die Entwicklungen vorangehen. Dadurch dass wir die ersten waren und unser Gesetz Vorteile gegenüber dem US-Gesetz bietet, können wir uns aber frühzeitig positionieren, werden als Partner ernst genommen und haben die Möglichkeit, unsere Nischen zu finden. Und wie gesagt, Luxemburg bietet ein gutes Gesamtpaket. Wir brauchen uns nicht zu verstecken.

science.lu: Wann werden die ersten Asteroiden-Bergbau-Missionen starten?

Etienne Schneider: Schwer zu sagen. Experten rechnen mit ungefähr 20-30 Jahren.

science.lu: Eine Frage zum Schluss: Wollten Sie früher Astronaut werden?

Etienne Schneider: Nein. Das würde zwar jetzt schön zur Story passen. Aber ich bin nicht schwindelfrei. Astronaut kam also nie in Frage. Ich habe mich auch nicht besonders für Mineralien in meiner Kindheit interessiert. Für mich ist der Asteroiden-Bergbau eine sehr logische Sache. Die Suche nach Ressourcen war schon immer die Ursache für die großen Expeditionen der Menschheitsgeschichte; die Suche nach Gold in Südamerika, nach Gewürzen und Stoffen in Indien, usw. Leider sind Ressourcen auch der Grund für die meisten Kriege. Da wir mittlerweile auf der Erde quasi alle Flecken erkundet haben und Rohstoffe knapp werden, ist es also nur logisch, dass wir nun Expeditionen ins Weltall starten. Und mein Ziel ist es, dass Luxemburg dabei eine Rolle spielt. 

Minister Schneider, wir danken Ihnen fürs Gespräch.

Autor: Jean-Paul Bertemes (FNR)
Foto © Ministère de l'économie

 

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