Beatriz Basterra Beroiz vor ihren Studienobjekten: Gummireifen

Die Doktorarbeit von Beatriz Basterra Beroiz unterscheidet sich von der vieler ihrer Kollegen: Sie hat nicht nun an einer Universität gearbeitet, sondern in enger Verbindung mit einem industriellen Partner. Science.lu möchte wissen, wie das funktioniert hat.

Beatriz, während Deiner Doktorarbeit hast Du die Eigenschaften von Gummi untersucht. Gummi wurde bereits Mitte des 18. Jahrhunderts wissenschaftlich beschrieben. Weiß man nicht bereits alles, was man wissen muss?

Das könnte man meinen, dem ist aber nicht so. Jede Materialmischung ist unterschiedlich, je nachdem, wo Gummi eingesetzt wird – sei dies in Schuhen, Schwimmbrillen oder Reifen. Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen wir die Materialeigenschaften die gebraucht werden, um Leistungsfähigkeit des Materials zu verbessern und weiter zu entwickeln. Wir untersuchen beispielsweise bei Reifen die Zähigkeit und Elastizität um mehr über den Rollwiderstand zu erfahren – hier gibt es noch viel zu entdecken.

Woran genau hast Du in Deiner Doktorarbeit geforscht?

Ich habe zwei Schlüsseleigenschaften untersucht: Erstens, die chemischen Verbindungen, die dafür sorgen, dass die Polymere eingebunden sind und die dafür sorgen, dass ein Gummimaterial seine ursprüngliche Form nach einer Verformung wieder einnimmt. Zweitens, die Verbindung von Gummi mit Füllmaterial, beispielsweise Kohlenstoff oder Silizium – was die mechanischen Eigenschaften von Reifen wesentlich beeinflusst. Schwerpunkt meiner Forschung waren die experimentellen Techniken, die wir nutzen können sowie die verschiedenen physikalischen Modelle die es braucht, um ein quantitatives Verständnis dieser Eigenschaften auf molekularer Ebene zu erlangen.

Für Deine Doktorarbeit hast Du in einer Kooperation zwischen dem Leibniz Institut für Polymerforschung, der Technischen Universität Dresden, dem Institut für Polymerwissenschaft und Technologie in Madrid und Goodyear. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Ich hatte zunächst ein Praktikum am “Goodyear Innovation Center” in Luxemburg gemacht. Während dieser Arbeit habe ich an universitären Forschungsprojekten teilgenommen und ein Jahr lang in Schweden studiert. Durch das Praktikum habe ich einen ersten Eindruck bekommen, wie angewandte Forschung funktioniert und, während mein Interesse an dieser Forschung wuchs, gleichzeitig internationale Erfahrung gesammelt. Mir wurde klar, wie wichtig und spannend es ist zu verstehen, wie die Zusammenhänge zwischen der molekularen Struktur von Gummi und den letztendlichen Produkteigenschaften sind, wie etwa Rollwiderstand, Bremseigenschaften oder Abnutzung.

Wie hat sich die Zusammenarbeit in der Praxis gestaltet?

In Gesprächen mit Goodyear haben wir eine Strategie entwickelt, um die bestehende Charakterisierung der elastischen Eigenschaften von Gummi auf molekularer Ebene zu verbessern. Dann haben wir uns universitäre Partner gesucht und darauf fokussiert, das Wissen zum Stand der Forschung optimal zu bündeln, sowohl im theoretischen Bereich, wie in der experimentellen Forschung. Nachdem wir alle Puzzleteile zusammen hatten, haben wir Förderung durch den FNR im Rahmen der „Public-Private-Partnership“ zur Durchführung der Doktorarbeit beantragt.

Industrieforschung ist sicher anders als universitäre Forschung. Welche Freiheiten hattest Du, etwa wenn es um die Veröffentlichung Deiner Ergebnisse ging?

Meine Ergebnisse konnte ich der wissenschaftlichen Gemeinschaft auf Tagungen und in Form von Veröffentlichungen verfügbar machen. Wenn man in der Industrie arbeitet, bedarf es davor einer Zustimmung des Unternehmens. Goodyear hat mich dabei aber sehr gut unterstützt und kann auch auf die Erfahrung aus vielen vorhergehenden Projekten zurückgreifen.

Nach Deiner Doktorarbeit bist Du bei Goodyear geblieben…

Genau. Während meiner Doktorarbeit habe ich die Arbeit sowohl an der Uni, wie auch in der Industrie sehr genossen und als gleichwertig empfunden. Dass ich mich letztlich für eine industrielle Karriere entschieden habe liegt daran, dass es mir großen Spaß macht, wie ich Ideen umsetzen kann und vom Labor bis zum fertigen Produkt begleiten kann. Ich arbeite nun sowohl in der Grundlagenforschung als auch angewandten Forschung um die Produkte von morgen zu entwickeln. Das finde ich sehr interessant, denn die Entwicklungen in der Forschung an Gummi tragen – sei es in Schuhsohlen oder Gummireifen – buchstäblich dazu bei, die Welt ein Stück weit vorwärts zu bewegen.

Author: Tim Haarmann
Photo: Beatriz Basterra Beroiz

Infobox

Kurzlebenslauf

Beatriz Basterra Beroiz ist Physikerin. Sie wurde in Pamplona (Spanien) geboren, hat in Madrid und Stockholm studiert und Ihre Doktorarbeit am Leibniz Institut für Polymerforschung, der TU Dresden, dem Institut für Polymerwissenschaft und Technologie (Madrid) und am Goodyear Innovation Center in Luxemburg geschrieben. Der Titel ihrer 2018 veröffentlichten Doktorarbeit ist “Correlation of Elastomer Structures and Stress-Strain Amplification Mechanisms in Reinforced Rubber Nanocomposites”

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