(C) Shotshop

Die Starkregenereignisse im Sommer 2016 haben eindrucksvoll gezeigt, wo die aktuellen Herausforderungen in der Unwetter- und Hochwasservorhersage liegen.

Die Sommersaison 2016, insbesonders der Juli, war durch außergewöhnliche Starkniederschläge gekennzeichnet. Auf Grund von Wetterlagen mit einem hohen Gewitterpotential kam es seit dem Ende des Frühjahrs lokal immer wieder zu extremen Niederschlagsereignissen in Luxemburg. Mitte Juli wurden Tagessummen von bis zu 49 mm an der Station Bettendorf und 69 mm an der Station Christnach (Quelle: Administration des services techniques de l'agriculture) registriert.

Derart hohe Niederschläge werden typischerweise nur im langjährigen Monatsmittel (ca. 60 mm) an diesen Stationen registriert. Die Niederschläge waren mit einer maximalen Intensität von 53 mm pro Stunde und 20 mm in 10 Minuten besonders in Christnach ungewöhnlich intensiv. Laut ersten Schätzungen treten statistisch gesehen in Luxemburg solche starken Niederschläge im Durchschnitt nur mit einer Wiederkehrzeit von mehr als 90 Jahren auf. Vergleichbar hohe Niederschlagsintensitäten wurden an der Station Bettendorf aufgezeichnet (44 mm in einer Stunde, geschätzte Wiederkehrzeit 80 Jahre und 16 mm in 10 Minuten, geschätzte Wiederkehrzeit zirka 20 Jahre).

Reaktion der Bäche und Flüsse mit aktuellen Messmethoden nur unzureichend messbar

Bei diesen Starkregenereignissen reicht die Aufnahmekapazität der Böden für die großen Wassermengen nicht aus und das Wasser fließt oft oberirdisch ab. Außerdem treten kleinere Fließgewässer dann unerwartet über ihre Ufer, was zu Überschwemmungen führt. Besonders hohe Wasserstände wurden im Juli an der weißen Ernz im Osten des Landes aufgezeichnet, mit maximalen Werten von 2,23 m an dem Pegel in Larochette und 3,11 m an dem Pegel in Reisdorf (Quelle: Administration de la gestion de l'eau). Für letzteren Pegel galt bisher ein höchster Wasserstand von 1.81 m, gemessen am 7. Januar 2011.

Speziell die Reaktion der Bäche und Flüsse auf extreme Niederschlagsereignisse ist mit den aktuellen Beobachtungsgeräten und Messprotokollen nur unzureichend messbar. Folglich werden viele Schlüsselprozesse die nur innerhalb weniger Minuten stattfinden von den herkömmlichen Messmethoden ausgeblendet. Das fehlende Prozessverstehen führt letztendlich dazu, dass herkömmliche Vorhersagemodelle weit über ihrem verlässlichen Anwendungsbereich eingesetzt werden müssen.

Veränderungen in der Landnutzung beeinflussen hydrologische Systeme

Dieses Problem ist in den vergangenen Jahren vermehrt in den Fokus der hydrologischen Forschungsarbeiten getreten. Die sogenannte Instationarität der hydrologischen Systeme hat mittlerweile einen breiten Konsens in der wissenschaftlichen Gemeinschaft gefunden. Gemeint sind damit die mit Veränderungen in der Landnutzung (zum Beispiel Bodenversiegelung) und die mit dem globalen Klima einhergehenden Veränderungen im Verhalten der Bäche und Flüsse.

Letztere reagieren auf extreme Niederschlagsereignisse in immer kürzeren Zeiträumen und die damit verbundenen Abflüsse erreichen mittlerweile kaum oder nie dagewesene Werte. In diesem Zusammenhang darf erwähnt werden, dass die Vermeidung (oder Eingrenzung) des Klimawandels mit energietechnischen Komponenten einhergeht, während die Anpassung an den Klimawandel (in unseren Gegenden) sehr stark mit einer wassertechnischen Komponente verbunden ist.

Neue Modellierungskonzepte sollen zuverlässigere Vorhersage extremer Ereignisse ermöglichen

Um diesen neuen Verhältnissen gerecht zu werden bedarf es neuen Messgeräten und Protokollen die mit einer bisher nicht erreichten zeitlichen und räumlichen Auflösung Daten erheben wie beispielsweise Niederschlag oder Abfluss. Am Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) wird vermehrt an extremen Niederschlags- und Abflussereignissen geforscht.

Nebst der Entwicklung von Messgeräten, die im Minutentakt wichtige Informationen zu Niederschlag und Abflussprozessen liefern, werden neue Modellierungskonzepte entworfen und getestet, die künftig eine zuverlässigere Beobachtung und Vorhersage von Extremereignissen ermöglichen soll. Mit Unterstützung des Fonds National de la Recherche sowie in Zusammenarbeit mit dem Wasserwirtschaftsamt und der Ackerbauverwaltung, werden Forschungsprojekte in diesen Bereichen vorangetrieben. Die Ereignisse des Sommers, insbesonders Ende Juli, haben mehr denn je die Notwendigkeit dieser Forschungs- und Zusammenarbeiten dargelegt.

Autor: LIST (Luxembourg Institute of Science and Technology)
Foto: shotshop

 

Auch interessant

Genetik Kënnen DNA-Tester eis soen, wou mir hierkommen?

Kann ee mat engem DNA-Test erausfannen, wou seng Vireltere gewunnt hunn?

FNR
Repräsentative FNR-Umfrage Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft weiter gestiegen

Wie bewerten die Luxemburger die Rolle der Wissenschaft in der Covid-Pandemie? Wie hoch ist das Interesse an der Wissens...

FNR
Interaktive Konferenz Wie kann man als Bürger seine Umweltbelastung reduzieren?

Am 17. November 2020 findet die nächste interaktive Konferenz „So you think you’re green” statt (online). Diese konzentr...

FNR

Auch in dieser Rubrik

Öffentlicher Transport Das Auto stehenlassen: Worauf es ankommt, damit Menschen auf Bus und Bahn umsteigen

Was müssen Bus und Bahn bieten, damit Luxemburgs Fahrgäste den öffentlichen Nahverkehr regelmäßig nutzen? Dieser Frage geht eine neue Studie nach und liefert Verkehrsbetrieben und Politik Impulse.

Feldhamster
Artensterben Biodiversität: 2-mal mehr Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht als bisher angenommen

Nicht eine, sondern zwei Millionen Arten weltweit sind vom Aussterben bedroht. Das haben Forscher des Nationalmuseums für Naturgeschichte jetzt herausgefunden. Wir haben nachgefragt, was das bedeutet...

Auf dem Weg zur Dekarbonisierung Klimawandel stoppen: Wie können wir unseren CO2-Fußabdruck verkleinern?

Wie hoch ist unser CO2-Fußabdruck? Was ist in unserem Alltag wirklich schlecht fürs Klima? Und vor allem: bringen unsere Bemühungen noch etwas? Wir haben mit einer Expertin gesprochen.

Forschung im Weinbau Wie der Weinbau in Luxemburg sich dem Klimawandel anpasst

Mittlerweile hat der Klimawandel nicht mehr nur positive Auswirkungen auf den Weinbau. Wissenschaftler am LIST und dem IVV erforschen diverse Anpassungsmaßnahmen.