© Laure Pauly

Laure Pauly forscht an Veränderungen des Gedächtnisses bei einer Parkinson-Erkrankung

Die Aufgabe bestand darin, den Inhalt seiner Doktorarbeit innerhalb von drei Minuten zu erklären - und das möglichst anschaulich und unterhaltsam. Laure Pauly ist dies preisträchtig gelungen. Die PhD-Studentin arbeitet am Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB) in Prof. Dr. Rejko Krügers Translational Neuroscience Forschungsgruppe zur Parkinson-Krankheit.

Laure, du befasst dich bei deiner Forschungsarbeit mit Parkinson und dabei vor allem mit dem Gedächtnis. Wovon geht es dabei genau?

Konkret untersuche ich das retrograde prozedurale Gedächtnis bei der Parkinson-Krankheit. Dabei handelt es sich um den Teil der Erinnerung, in dem unbewusste Handlungen und Abläufe gespeichert sind. Dazu gehören zum Beispiel erlernte und automatisierte Fähigkeiten wie Autofahren, Musizieren oder auch das Binden der Schuhe. Über diese Dinge denkt man im Normalfall nicht bewusst nach, dennoch ist die Erinnerung daran in unserem Gedächtnis gespeichert.

Ein gutes Beispiel aus dem Alltag ist auch das Erlernen und Verinnerlichen des Tippens auf einer Tastatur. Wer mit dem Computer arbeitet, hat aktiv gelernt, die Finger auf die Positionen der verschiedenen Buchstaben zu legen - bis diese Handlung allmählich automatisiert wird.

Man muss also nicht mehr auf die Tastatur schauen, um „science.lu“ einzutippen…

Genau. Dies ist auf das prozedurale Gedächtnis zurückzuführen, welches das Wissen von automatisierten Handlungsabläufen abspeichert. Zuvor jedoch muss diese Fähigkeit erst erworben werden. Wer das Tippen auf einer Tastatur lernt, sucht zunächst jeden einzelnen Buchstaben. Der Blick wechselt also ziemlich oft vom Bildschirm zur Tastatur. Durch Wiederholungen wird man schließlich schneller und muss irgendwann die Buchstaben nicht mehr suchen. Diese Lernphase nennt man das anterograde (‚nach vorne gerichtete‘) prozedurale Gedächtnis. Konkret ist damit die Fähigkeit gemeint, eine neue Fertigkeit zu lernen. Das prozedurale Wissen wird danach abgerufen, ohne dass man sich dessen immer bewusst ist. Dies ist der Übergang in das retrograde (‚zurück gerichtete‘) prozedurale Gedächtnis.

Viel schwieriger wird es jedoch, wenn wir dann auf einer leeren Tastatur bewusst die Position der soeben getippten Buchstaben zeigen müssten – also aktiv überlegen. Hier müssen wir oft länger überlegen, anders als beim automatisierten Tippen. Ein prozedurales Wissen in Worte zu fassen fällt uns relativ schwer. Ein weiteres typisches Merkmal des prozeduralen Gedächtnisses ist seine Stabilität: Es handelt sich um einen sehr langfristigen Erinnerungsspeicher. Denn auch wenn wir monatelang nicht getippt haben - oder Auto gefahren sind -, werden wir diese Fähigkeit nicht verlieren.

Warum ist die Analyse dieser Gedächtnisformen besonders interessant bei Parkinson?  

Die Analyse dieser Gedächtnisformen ist bei Parkinson besonders interessant, da das prozedurale Gedächtnis unter anderem in den Hirnarealen zu liegen scheint, die von dieser Erkrankung betroffen sind. Bei dieser neurodegenerativen Erkrankung fehlt der Botenstoff Dopamin in einer bestimmten Hirnregion, die man Striatum nennt. Das Striatum ist ein Teil der Basalganglien, welches eine zentrale Rolle im prozeduralen Gedächtnis spielt. Bei der Parkinson-Krankheit führt ein Mangel an dem Botenstoff Dopamin zu einer verminderten Aktivität in dieser Region des Groβhirns.

Und welche dieser Gedächtnisformen spielt bei Parkinson eine Rolle?

Die Analyse beider Gedächtnisformen, des anterograden und des retrograden prozeduralen Gedächtnisses, ist wichtig bei Parkinson. Es wurde bereits festgestellt, dass das anterograde prozedurale Gedächtnis, also die Möglichkeit neue Handlungen und Abläufe zu erlernen, in frühen Stadien der Parkinson-Krankheit beeinträchtigt sein kann. Wir glauben aber, dass auch zusätzlich das retrograde prozedurale Gedächtnis noch erforscht werden sollte. Die Beeinträchtigung dieser Gedächtnisform führt dazu, dass Betroffene die prozeduralen Fertigkeiten weniger automatisch absolvieren und eine zusätzliche Anstrengung in die Handlung investieren muss, um die Aufgabe zu erledigen. Im konkreten Beispiel kann es also sein, dass ein Parkinson-Patient eher nach den Tasten auf der Computer-Tastatur suchen muss, obwohl man diese eigentlich automatisch finden sollte.

Welchen Beitrag leistet deine Arbeit für die Parkinson-Forschung?

Über Jahre hinweg wurde die Parkinson-Krankheit vorwiegend als Bewegungsstörung beschrieben. Erst in jüngster Zeit wurden Störungen des Gedächtnisses als wichtige klinische Merkmale erkannt. Die Ergebnisse meines Forschungsprojekts könnten daher helfen, diese kognitiven Beeinträchtigungen weiter zu definieren. Ich habe dazu ein neues Punktesystem entwickelt, mit dem das retrograde prozedurale Gedächtnis messen kann - bislang gibt es keine evidenzbasierten Protokolle zur Bewertung dieser speziellen Form des Gedächtnisses. Weil es jedoch für die Fähigkeit eines Menschen, automatische alltägliche Aktivitäten auszuführen, sehr wichtig ist, müssen wir tiefer in das Verständnis der Funktionsweise des Gedächtnisses eintauchen.

Darüber hinaus werden wir untersuchen, ob dieses Defizit eventuell auch ein Frühzeichen für die Parkinson-Krankheit sein könnte. Die Entdeckung neuer, sogenannter nicht-motorischer Biomarker könnte uns helfen, die Krankheit in einem früheren Stadium zu diagnostizieren. Eine frühe Diagnose und Behandlung der Parkinson-Krankheit ist von Bedeutung für zukünftige Therapien, die das Fortschreiten der Krankheit verzögern und negative Auswirkungen auf die Lebensqualität der Patienten vermeiden sollen.

Interview: Uwe Hentschel

Und hier das 3MT-Video von Laure Pauly:

Infobox

Drei Fragen an Miriam Fougeras, Organisatorinnen des 3MT- Wettbewerbs

Welche Fähigkeiten sollte man als Teilnehmer eines 3MT- Wettbewerbs haben?

Die wichtigste Voraussetzung ist natürlich die Wissenschaftskommunikation: die Fähigkeit, einem nicht spezialisierten Publikum zu vermitteln, was das Thema der Forschung ist und warum es interessant ist. Eine Besonderheit des Wettbewerbs ist dabei das sehr strenge Zeitlimit, was bedeutet, dass Teilnehmer in der Lage sein müssen, ihre Botschaft klar und deutlich zu vermitteln, ohne sich durch Ihren Vortrag hetzen zu müssen.

Inwieweit profitieren die Teilnehmer des 3MT - auch wenn sie nicht gewinnen?

Der wichtigste Vorteil der Teilnahme ist das tiefe Verständnis, das man erhält, wenn man sich zwingt, seine Forschung für ein nicht spezialisiertes Publikum zusammenzufassen. Es ist gleichzeitig auch eine Chance, einen Schritt zurückzutreten und die eigene Arbeit aus einer größeren Perspektive zu betrachten. Ein weiterer wichtiger Vorteil besteht darin, dass die Teilnehmer mit ihrer Forschungsarbeit an die Öffentlichkeit gehen.  Sie lassen damit die Welt wissen, was in Ihrem Fachgebiet vor sich geht, und wecken dadurch vielleicht das Interesse anderer Menschen. Die eigene Arbeit mit der breiten Öffentlichkeit zu teilen, ist schließlich ein wesentlicher Bestandteil des Forscherdaseins.

Was ist für eine erfolgreiche 3MT-Teilnahme wichtiger: die allgemeine Verständlichkeit eines Forschungsthemas oder die Präsentation?

Zweifellos die Präsentation, wie die Beurteilungskriterien deutlich zeigen. Letztlich aber liegt der der Schlüssel zum Erfolg darin, für ein spezielles Thema zu brennen und dieses Feuer dann mit dem Publikum zu teilen. Wenn einem das gelingt, ist kein Thema zu abstrakt, um die Menschen zu begeistern.

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