(C) Shotshop & Andy Genen

Lizzie und Nouga stürmen in das Klassenzimmer. Sie sind spät dran. Ihre Lehrerin hatte sie zu Christine Schiltz an die Uni geschickt.

Lizzie hat nämlich im Mathetest die Aufgaben nicht lösen können, obwohl sie am Vortag ganz viel gelernt hatte. Sie war völlig verzweifelt. Ihre Lehrerin hat ihr deshalb eine ganz besondere Aufgabe gegeben: Sie sollte herausfinden, weshalb man bereits Gelerntes wieder vergisst.

Lizzie: Entschuldigung. Der Bus hat eine Ewigkeit gebraucht! Außerdem war das, was Christine uns erzählt hat, so interessant, dass wir nicht mitbekommen haben, wie die Zeit vergeht.

Lehrerin: Ist schon in Ordnung, Lizzie, Christine hat mir Bescheid gesagt, dass ihr etwas später kommt. Gerade habe ich euch die Blätter mit den Tests ausgeteilt. Da du nicht bestanden hast, Lizzie, möchte ich dir gerne eine Chance geben, den Test auszugleichen. Du hast gesagt, ihr hättet bei eurem Besuch im Labor viel über das Gehirn gelernt? Magst du vielleicht der Klasse erzählen, was du gelernt hast?

Lizzie schluckt.

Normalerweise redet sie nicht gern vor der ganzen Klasse, sie hat immer Angst, etwas Dummes zu sagen. Aber diesmal ist es anders. Sie hat gut aufgepasst und außerdem will sie ihre schlechte Mathenote wieder wettmachen.

Lizzie: Frau Schiltz hat mir erklärt, dass das Gehirn aus vielen kleinen Bausteinen, den Nervenzellen, besteht. Wenn wir lernen, setzen wir die Bausteine zu einer Information zusammen. Eine Information ist wie ein kleines Bauwerk in unserem Gehirn und besteht aus vielen miteinander verbundenen Nervenzellen. Manche dieser Konstruktionen halten ein Leben lang, andere lösen sich aber auch nach kurzer Zeit wieder auf. Dann geht die Information verloren. Zum Glück können wir die einzelnen Bausteine aber wiederverwenden und zu neuen Informationen zusammen stecken.

Lehrerin: Sehr gut, Lizzie! Euer Gehirn ist tatsächlich die ganze Zeit dabei, sich zu verändern. Wenn ihr Lizzie zuhört, lernt ihr etwas. Während ihr zuhört, werden die neuen Informationen gespeichert, die Bausteine also zusammengesetzt. Lizzie, du hast gesagt, dass man auch Dinge vergessen kann. Wie kann es denn sein, dass sich die zusammengebauten Teile auflösen?

Lizzie: Das kann passieren, wenn man sie nicht benutzt. Christine Schlitz hat erklärt, dass die Verbindungen zwischen den Bausteinen dann immer schwächer werden und sich schließlich auflösen.

Lehrerin: Kann man vermeiden, dass das passiert?

Lizzie: Ja, wenn man die Informationen, die man zusammengebaut hat, ganz viel benutzt, werden die Verbindungen zwischen den Bausteinen immer fester. Die Information kann man dann kaum noch vergessen.

Grinsend fügt sie hinzu: Hätte ich also die Matheaufgaben öfter geübt und wiederholt, dann hätte sich mein Mathegerüst im Gehirn wohl nicht so schnell wieder aufgelöst, und ich hätte den Test bestanden.

Autor: Corinne Kroemmer, überarbeitet: scienceRELATIONS
Illustrationen: Andy Genen
Foto: Shotshop

Infobox

Kognitive Psychologie

Die kognitive Psychologie ist ein Wissenschaftsgebiet, das die Funktionsweise des menschlichen Denkens untersucht. Die Forscher versuchen zu verstehen, was in unserem Kopf passiert, wenn wir lernen oder uns etwas einprägen. Anhand ihrer Forschungsergebnisse können sie dann verschiedene Lehrmethoden entwickeln, die besser an eine Lernumgebung angepasst sind.

Christine Schiltz

Christine Schiltz arbeitet an der Universität Luxemburg. Ihre Forschungsthemen: Number processing, Spatial attention, Face Perception, Cognitive development, Functional Neuro-imaging. Sie ist auch aktiv im Learn-Netzwerk.

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