Nina Janz
Dieser Artikel ist eine aktualisierte Version dieses Artikels aus der Serie ‚Spotlight on Young Researchers‘ des Luxembourg National Research Fund (FNR), der 2022 erschien.
Mehr als 10.000 Luxemburgerinnen und Luxemburger trugen während des Zweiten Weltkriegs in den Streitkräften und zivilen Organisationen deutsche Uniformen. Viele wurden von den deutschen Nazibehörden eingezogen. Und hinter jedem Namen steht eine Geschichte.
Ein Forscherteam des Luxembourg Center for Contemporary and Digital History (C2DH) an der Universität Luxemburg hat mit luxemburgischen Familien zusammengearbeitet, um persönliche Geschichten dieser Kriegsgeneration in Luxemburg zusammenzustellen. Ihre Ergebnisse wurden vor kurzem auf einer Website und in einer Online-Datenbank veröffentlicht.
Das Projekt WARLUX (Soldiers and their communities in WWII: The impact and legacy of war experiences in Luxembourg) konzentriert sich auf die Biografien junger Luxemburger, die zwischen 1920 und 1927 geboren wurden und von den deutschen Behörden zum Reichsarbeitsdienst und zur Wehrmacht eingezogen wurden.
Unter der Leitung von Prof. Denis Scuto und zusammen mit ihren Forscherkollegen Sarah Maya Vercruysse, Susanne Schmolze und Michel Romain Pauly hat die Postdoktorandin Dr. Nina Janz Daten über die Biografien der jungen Luxemburger gesammelt, und deren individuelle Profile und ihren sozialen Hintergrund untersucht. In der Serie 'Spotlight on Young Researchers' wird ihre Perspektive und ihre Rolle in diesem Projekt beleuchtet.
„Die Einberufung junger Luxemburger ist hauptsächlich in offiziellen Dokumenten festgehalten, darunter Polizeiakten, Einschreibeprotokolle der regionalen Behörden, Transportlisten und militärische Aufzeichnungen über ihren Dienst. Die Untersuchung von Biografien erfordert jedoch einen persönlicheren Einblick in das Leben der Betroffenen, denn hinter jedem Namen stehen individuelle und persönliche Lebensgeschichten, die wir erforscht haben", erklärt Nina Janz, die einen Hintergrund in Archivwissenschaft und Militärgeschichte hat.
Außer offiziellen Listen oder offiziellen staatlichen Dokumenten konnten die Forscher zunächst nichts „Persönliches“ über diese Personen finden. Sie begannen, nach persönlichen Aussagen, Berichten und anderen Dokumenten zu suchen - ebenfalls keine leichte Aufgabe, da diese Informationen über ganz Europa verstreut sind, wobei sich viele Archive in Deutschland und sogar in Russland befinden.
Zusammen mit Familien Teile von Puzzles vervollständigen
„Wir brauchten mehr, um ein vollständiges Bild einer Person und ihrer tragischen Erfahrungen während des Zweiten Weltkriegs zu zeichnen. Mein Team und ich haben einen Aufruf an Kriegszeugen und ihre Familien gestartet, um persönliche Dokumente, Tagebücher, Erinnerungen und Fotos zu finden und zu identifizieren, die einen Einblick in individuelle Erfahrungen und Geschichten während des Krieges geben", erklärt Nina.
Im Jahr 2021 startete das Team einen Aufruf mit dem Ziel, die Sammlung persönlicher Dokumente zu erweitern, um Einblicke in das Leben und die Erfahrungen der Betroffenen zu gewinnen.
Wir haben Familien und Zeitzeugen gebeten, in ihren Kellern und Dachböden in alten Kisten und Schränken der Großeltern und Eltern nach Dokumenten und Fotos über diese Zeit zu suchen.
Nina Janz
Die Zusammenarbeit mit den Familien wurde Ende 2021 abgeschlossen - mit überwältigendem Erfolg. Dank des gesammelten Materials konnte das Team die für die weitere Forschung notwendige Sammlung aufbauen.
„Die Zusammenarbeit mit den Familien der Betroffenen war für den Aufbau der Dokumentensammlung über die persönlichen Kriegserlebnisse der Luxemburger von großer Bedeutung“, sagt Nina Janz. „Wir konnten eine einzigartige Sammlung aufbauen, um die Kriegserlebnisse dieses verdrängten und dunklen Kapitels der luxemburgischen Geschichte aufzuzeichnen und zu bewahren, um an den Schmerz und die Verluste zu erinnern, die diese Kriegsgeneration zu ertragen hatte.“
Foto: Nina Janz
Jede Information digitalisieren
Nina Janz erklärt, dass die größte Herausforderung nach wie vor der Zugang zu den Quellen ist. „Nach der ‚Jagd‘ nach Informationen, die sich manchmal wie Detektivarbeit anfühlte, mussten wir uns durch Stapel und Kisten von Akten lesen. Die Namen sind in Listen und offiziellen Briefen versteckt; die Quellen sind nicht digital verfügbar wie bei einer Google-Suche, und ich musste die Namen einzeln auswerten.“
Der Mangel an digitalisierten Archiven ist ebenfalls eine Herausforderung - die benötigten Dokumente sind nicht alle digital verfügbar, und nur wenige Zeitzeugen dieses dunklen Kapitels der europäischen Geschichte sind heute noch am Leben, so dass das Team auf schriftliche Aussagen angewiesen ist.
„Mein Team und ich haben die analogen Daten in maschinenlesbare Form digitalisiert und konvertiert, und haben die Informationen in eine Datenbank eingespeist, um die gesammelten Daten zu bewahren und zusammenzuführen. Digitale Hilfsmittel wie Transkriptionssoftware, Datenbanken und Kataloge halfen uns, die biografischen Informationen und individuellen Geschichten dieser Menschen zu suchen, zu analysieren und zu bewahren.“
„Beim Aufbau unserer eigenen Sammlung haben wir jedes Stück digitalisiert. Wir haben digitale Werkzeuge wie Handwritten Text Recognition (HTR) und Optical Character Recognition (OCR) eingesetzt, um die analogen Dokumente maschinenlesbar und damit für eine eingehende Analyse zugänglich zu machen", ergänzt Nina und fügt hinzu, dass die Forscher die Daten aus dieser Zeit bewahren und öffentlich zugänglich machen müssen.
Ergebnisse des Forschungsprojekts wurden vor kurzem auf einer Website und in einer Datenbank veröffentlicht. Sarah Maya Vercruysse, Doktorandin auf dem WARLUX-Projekt, fasst die Inhalte in einem Artikel auf der Internetseite des C2DH zusammen:
"Auf warlux.uni.lu findest Du eine Fülle von Informationen über das Forschungsprojekt und eine umfangreiche Datenbank.
- Warlux-Projekt: Die Website bietet einen detaillierten Überblick über die Forschungsaktivitäten des Projekts, die gesammelten Daten, die organisierten Veranstaltungen, die Veröffentlichungen und die wichtigsten Ergebnisse.
- Die Warlux-Datenbank ist zweigeteilt:
- Schifflange Rekruten und Soldaten: Die Datenbank enthält Informationen über 304 junge Männer aus Schifflingen, die zwischen 1920 und 1927 geboren wurden und im Reichsarbeitsdienst und/oder in der Wehrmacht dienten. Sie enthält biografische Informationen zu den Soldaten und gibt Aufschluss über ihren Dienst, ihren Verbleib bei Kriegsende sowie über Fälle von Desertion oder Wehrdienstverweigerung.
- Digitale Sammlung von Kriegsbriefen: Mit 163 transkribierten Briefen, die von luxemburgischen Wehrmachtssoldaten während des Zweiten Weltkriegs ausgetauscht wurden, bietet diese Sammlung einen Einblick in die Korrespondenz zwischen Soldaten, ihren Familien und Gefangenen in Kriegsgefangenenlagern. Diese Briefe sind Teil der größeren digitalen Warlux-Sammlung, die bisher unveröffentlichte Dokumente aus erster Hand enthält, die von der luxemburgischen Bevölkerung im Rahmen der Crowdsourcing-Kampagne des Projekts gespendet wurden.
Die Website ist in deutscher und englischer Sprache verfügbar. Trotz des offiziellen Abschlusses des Projekts im März 2024 wird die Website weiterentwickelt und zusätzliche Informationen werden der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, sobald die Datenbeschränkungen aufgehoben werden können.
Ebenfalls im Rahmen des Warlux-Projekts soll bis Ende 2024 ein Sammelband in der Reihe De Gruyter Transnational Contemporary History of Luxembourg erscheinen, der die Auswirkungen der Kriegserfahrungen auf ausländische Staatsangehörige untersucht, die in den deutschen Streitkräften und Arbeitsorganisationen dienten."
Autoren: Emily Iversen (FNR), Nina Janz, Sarah Maya Vercruysse (C2DH)
Redaktion: Michèle Weber (FNR)
Fotos: Nina Janz