SCRIPPS, Belval

Äddi San Diego, Gudden Moien Luxembourg.

Sechs Monate Sabbatical am Scripps Institut in San Diego sind vorüber. Kaum zu glauben wie schnell die Zeit verging. Diesen Freitag fliegen meine Frau Anne und ich wieder nach Luxemburg zurück. Zeit, ein Fazit zu ziehen.

Zunächst: Die Zeit war spannend, ich hab viel gelernt und unglaublich viele neue Eindrücke gesammelt. Das bezieht sich sowohl auf Land und Leute, als auch auf die Wissenschaft.

Weniger soziale Unterschiede in „Good Old Europe“

Ich war zum ersten Mal als junger Student vor 40 Jahren in den USA. Damals war Amerika mein Traumziel. Und ich war mir am Ende meines USA-Aufenthalts nicht sicher, ob ich wieder nach Europa zurückgehen soll. Jetzt muss ich gestehen: Ich kehre gern nach „Good Old Europe“ zurück.

Die USA scheinen mir, wie so vielen anderen auch, gespalten. Es gibt eine Elite, der es an nichts mangelt. Zu diesen Privilegierten haben wir hier gehört. Trotzdem lässt sich nicht übersehen, dass immer mehr Menschen in bitterer Armut leben. In Europa sind die sozialen Unterschiede nicht so groß.

Zur Wissenschaft: „Auch hier kochen alle nur mit Wasser“

Die Wissenschaft: In Kalifornien arbeiten die weltweit besten Forscher. Ich glaube, nur Neu-England mit Harvard und dem MIT ist wissenschaftlich noch leistungsstärker. Trotzdem ist mir mal wieder klar geworden – auch hier kochen alle nur mit Wasser.

Auffallend ist vor allem der enorme Leistungsdruck. Viele Forschungsinstitute haben oft nur für ein Jahr im Voraus eine sichere Finanzierung. Die Kollegen sind deshalb dauernd dabei, Forschungsanträge zu schreiben, oder sie sind auf Road Show – auch am Scripps. Sie müssen zeigen, wie gut sie sind, um neue Gelder einzuwerben.

Höherer Leistungsdruck und kreative Anspannung in den USA

Das sorgt für kreative Anspannung. Aber manchmal geht es auch schlicht ums Verkaufen. Da wird schon mal ein Trend zum Forschungsthema erkoren, weil er das Zeug zum Hype hat. Die Zustände in Luxemburg sind damit nicht zu vergleichen.

Auch bei uns herrscht Leistungsdruck: Forscher und Institute werden regelmäßig bewertet, bevor es neue Finanzierungszusagen gibt. Aber zumindest die Zeiträume sind länger. In der Regel können wir für vier Jahre verlässlich planen.

Wer wagt gewinnt - Planungssicherheit in Luxemburg besser nutzen

Das ist ein unschätzbarer Vorteil. Allerdings ist mir in San Diego klar geworden, dass wir ihn noch stärker nutzen müssen: Die Verlässlichkeit der Planung gibt uns die Möglichkeit, wissenschaftlich freier zu denken und ganz neue Wege zu beschreiten! Auch wenn das Risiko für den Erfolg nicht garantiert ist.

Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, Forschungsprojekte in Zukunft noch mehr im Hinblick auf ihre langfristige Wirkung auszusuchen. Auch wenn das Risiko, das eine Idee am Ende doch nicht zu Erfolg führt, höher ist. Wer wagt gewinnt.

Einzelkämpfermentalität vs Teamarbeit

Warum ich zuversichtlich bin, das wir damit Erfolg haben können? Nun, es gibt noch einen Unterschied zwischen Luxemburg und den USA – das menschliche Miteinander. Durch den enormen Leistungsdruck wird die Einzelkämpfermentalität gestärkt. Nicht nur „America first“, sondern „Me first“.

Im Vergleich zu den USA wird bei uns noch viel mehr im Team gearbeitet. Dazu gibt es bei den meisten eine Loyalität dem Institut oder der Universität gegenüber, die besondere Kräfte freisetzt. Kräfte, die uns helfen sollten, selbstkritisch aber auch selbstbewusst die Zukunft anzugehen.

Ich bin nach diesem Sabbatical mehr denn je davon überzeugt, dass die Universität Luxemburg international ganz vorne in der Champions-League der Wissenschaft mitspielen kann.

Äddi San Diego, Gudden Moien Luxembourg.

Rudi Balling Direktor des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine legt bis zum Herbst ein Sabbatical ein. Diese akademische „Auszeit“ nutzt der 64 Jährige für einen Forschungsaufenthalt in den USA, mit finanzieller Unterstützung des INTER Mobility Fördermittels des Fonds National de la Recherche (FNR). In dieser Kolumne berichtet er alle zwei Wochen von seinen Erlebnissen und Erfahrungen. Die Kolumne wurde ursprünglich im Luxemburger Wort veröffentlicht und ist hier mit freundlicher Genehmigung des Luxemburger Worts und der Universität Luxemburg reproduziert.

Autor: Rudi Balling
Editor: Michèle Weber (FNR)
Foto: SCRIPPS, Belval

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