© Bork/Shotshop.com

Zellen führen ständig Tausende von chemischen Reaktionen aus, die zusammen als Stoffwechsel der Zelle bezeichnet werden. Der Stoffwechsel erzeugt dabei außerdem unerwünschte Nebenprodukte, die schädlich werden können, wenn sie sich in Zellen ansammeln. Um dies zu verhindern, verfügen die Zellen über Entgiftungssysteme: Enzyme, deren Aufgabe darin besteht, diese schädlichen Stoffwechselprodukte zu reparieren oder zu entfernen. Dass eine solche Reparatur von Stoffwechselprodukten in den Zellen überhaupt möglich ist, ist ein relativ neues Konzept und damit verbundene Krankheiten wurden erst kürzlich identifiziert.

Schädliches Enzym wird in gesunden Zellen sehr niedrig gehalten

NADHX ist eines dieser Stoffwechselprodukte, die schädlich sein können. In gesunden Zellen wird die Menge dieses Moleküls dank eines Entgiftungssystems, das aus den zwei Partnerenzymen NAXE und NAXD besteht, sehr niedrig gehalten. Diese Enzyme sind in allen Geweben des Menschen vorhanden und existieren auch in vielen anderen Spezies, was darauf hindeutet, dass sie eine grundlegende Rolle für den Körper spielen.

Eine internationale Gruppe von Biologen und Klinikern, darunter Forscher des Luxembourg Center for Systems Biomedicine (LCSB) der Universität Luxemburg, sowie Wissenschaftler des Murdoch Children’s Research Institute, der Kinderklinik von Philadelphia und der medizinischen Fakultät der University of Exeter konnten genetische Mutationen mit einem Enzymmangel in Zusammenhang bringen, der verheerende Auswirkungen auf verschiedene Gewebe wie das Gehirn und das Herz hat. 

Bei genetischen Mutationen ist toxische Substanz NADHX ungewöhnlich stark angereichert

„Dies ist die erste Studie, in der gezeigt werden konnte, dass Mutationen in NAXD, dem wichtigsten Enzym in diesem Entgiftungssystem, tatsächlich schwerwiegende Erkrankungen hervorrufen können", erklärt Dr. Carole Linster, Leiterin der Forschungsgruppe Enzymology and Metabolismam LCSB. Die Mutationen wurden durch die Sequenzierung der Genome von sechs Kindern identifiziert, die infolge fieberhafter Episoden an Neurodegeneration oder Herzversagen litten. Carole Linster und ihr Team wurden daraufhin wegen ihres Fachwissens bezüglich des beteiligten Enzyms kontaktiert - 2011 hatten sie die molekulare Aufgabe von NAXD entdeckt - und sie lieferten wichtige Erkenntnisse zu den funktionellen Konsequenzen dieser Mutationen.

Mit Methoden, die zuvor von der Luxemburger Gruppe entwickelt wurden, konnten die Forscher zeigen, dass sich in Hautzellen, die von jungen Patienten stammen und daher die genetischen Mutationen enthalten, die toxische Substanz NADHX ungewöhnlich stark anreichert. Korrigierten die Forscher die Funktion des Enzyms in den Zellkulturen auf ein normales Niveau, konnte diese Ansammlung vollständig rückgängig gemacht werden. Diese Ergebnisse zeigen, dass diese Mutationen die Ursache der neu beschriebenen Kinderkrankheit sind.

Erkrankung wirkt sich direkt auf wichtige Organe wie Gehirn und Herz aus

Diese Mutationen haben weitreichende Konsequenzen. Die Forscher beobachteten, dass die Aktivität der Mitochondrien, den Energiekraftwerken der Zellen, bei Patienten gestört ist und dass mutierte Versionen des Enzyms NAXD bei der Entgiftung der schädlichen Stoffwechselprodukte weniger wirksam sind. Besonders interessant ist auch, dass die Mutationen zu Thermolabilität führen, d.h. dass das Enzym bei höheren Temperaturen zunehmend weniger wirksam ist. Diese Beobachtung kann teilweise erklären, warum der Beginn der Krankheit mit Fieber einhergeht.

Insgesamt betrachtet, klassifizieren diese Ergebnisse den NAXD-Enzymmangel als eine neue Erkrankung des Stoffwechsel-Entgiftungssystems, das sich direkt auf wichtige Organe wie das Gehirn und das Herz auswirkt. Diese Studie, deren Ergebnisse kürzlich in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Brain“veröffentlicht wurden, bietet auch eine solide Grundlage für die Suche nach neuen Therapieansätzen, die den Ausbruch dieser schwerwiegenden Krankheit verzögern oder verhindern könnten. 

„Bisher wurden nur wenige genetische Stoffwechselkrankheiten dieser Art beschrieben", erläutert Carole Linster. „Angesichts des schnellen Fortschritts auf diesem Forschungsgebiet werden zukünftig weitere Erkrankungen identifiziert werden können, wenn Ärzte und Biochemiker in internationalen Forschungskooperationen Hand in Hand arbeiten, um solch mysteriöse und seltene Krankheiten gemeinsam zu entschlüsseln."

Autor: Luxembourg Center for Systems Biomedicine

Editor: Uwe Hentschel

Auch interessant

Epilepsie bei Kindern LCSB an Entdeckung eines entscheidenden Gens beteiligt

Mit Zebrafischen den genetischen Ursachen von Kinder-Epilepsie auf der Spur: LCSB-Forscher entdecken Gen, das nach eine...

Auch in dieser Rubrik

Herausragende wissenschaftliche Leistung FNR Awards 2023: Hoffnung auf eine neue Generation von Schmerztherapie

Ein Forschungsteam vom Luxembourg Institute of Health erhielt einen Preis für ihre Entdeckungen, die helfen könnten die Krise der Opioid-Abhängigkeit einzudämmen.

LIH, FNR
Outstanding Scientific Achievement FNR Awards 2023: Ein Modell, um das allergene Potenzial neuer Produkte zu testen

Arno Gutleb vom Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) wurde in der Kategorie "Outstanding Scientific Achievement" für die FNR Awards 2023 ausgewählt.

Outstanding PhD Thesis FNR Awards 2023: Studie über das Mikrobiom bringt Krebsforschung voran

Mina Tsenkova von der Universität Luxemburg wurde in der Kategorie "Outstanding PhD Thesis" für die FNR Awards 2023 ausgewählt.

Gesundheitssystem Luxemburg Inwiefern kann die Gesundheitsökonomie dem Gesundheitswesen helfen?

Welche Herausforderungen und Lösungen sehen Gesundheitsökonomen für unser Gesundheitssystem? Ein Interview mit Prof. Marc Suhrcke (LISER) und Dr. Valérie Moran (LISER, LIH).