smartwielen.lu

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So sieht die Startseite von www.smartwielen.lu aus.

Smartwielen.lu ist zurück. Die Online-Plattform soll Bürger bei der Entscheidungsfindung für für die Nationalwahlen am 8. Oktober 2023 unterstützen.

Das geht so: Auf der Internetseite smartwielen.lu geben Nutzer bei 44 Fragen eine von fünf möglichen Antworten an: „Ja“, „Nein“, „Eher Ja“, „Eher Nein“, oder „Keine Antwort“. Sollte die Wochenarbeitszeit ohne Lohnverlust gesenkt, die Steuern auf leerstehenden Gebäuden erhöht, die Anzahl an Windrädern erhöht, die Steuertabelle automatisch an die Inflation angepasst oder aber der private Konsum Cannabis verboten werden? – Die Fragen aus dem Katalog befassen sich mit allen möglichen, politisch relevanten Themen. Der gleiche Fragenkatalog wurde zuvor auch von Parteien und von einzelnen Kandidaten beantwortet.

Smartwielen.lu macht dann ein Matching – vergleicht also die Antworten des Nutzers mit denen der Kandidaten und Parteien – und der Nutzer erhält eine Rangliste von Kandidaten und Parteien, die seinem persönlichen politischen Profil am besten entsprechen.

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Über smartwielen.lu

Entwickelt wurde smartwielen.lu bereits für vergangene Nationalwahlen von 2018 (und die Europawahlen von 2019) von der Uni Luxemburg in Zusammenarbeit mit dem Zentrum fir politesch Bildung (ZpB). Dasselbe Instrument war ursprünglich unter dem Namen "smartvote.lu" für die Parlaments- und Europawahlen 2009 im Rahmen eines vom FNR finanzierten CORE-Projekts angeboten worden und wurde den Wählern auch für die Parlamentswahlen 2013 und die Europawahlen 2014 zur Verfügung gestellt.

Im Folgenden erläutern wir, wie das Matching funktioniert, was die Ergebnisse bedeuten, und welche Forschungsprojekte smartwielen.lu begleiten.  

Wie funktioniert das Matching?

Der Leiter des Projektteams an der Uni Dr. Raphaël Kies erklärt: „Smartwielen.lu wendet einen öffentlich verfügbaren Algorithmus an, der die sogenannte euklidische Distanz zwischen den Antworten des Nutzers und denen der Parteien und Kandidaten berechnet.“  

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Die euklidische Distanz

Die euklidische Distanz ist eine geometrische Distanz in einem zwei- oder multidimensionalen Raum. In der Geometrie stellt sie die Länge einer Linie zwischen zwei Punkten dar. In einem zweidimensionalen Kontext kann sie mithilfe des Satzes von Pythagoras berechnet werden. Sie ist nach dem griechischen Mathematiker Euklid benannt.

Hierfür erhalten die Antworten der Nutzer und der Kandidaten zunächst bestimmte Werte:

Anschließend wird die euklidische Distanz zwischen dem Wert des Nutzers und den Werten aller Kandidaten anhand einer mathematischen Formel berechnet. Diese Distanz wird anschließend normiert und von 1 abgezogen – was dann den Übereinstimmungsgrad zwischen der Antwort des Nutzers und der des Kandidaten/der Partei darstellt. Diese Berechnung wird für alle Antworten wiederholt und am Ende ein Mittelwert aller Distanzen berechnet.

Was bedeuten die Ergebnisse? 

Nachdem der Nutzer den Fragebogen ausgefüllt hat, sieht er anhand des Matchings, wo die Distanz zwischen der eigenen Meinung und der des Kandidaten oder der Partei am kleinsten und der allgemeine Übereinstimmungsgrad damit am größten ist.

„Um die Ergebnisse verständlicher darzustellen, wird der Grad der Übereinstimmung zwischen zwei Profilen in Prozent dargestellt“, präzisieren die Forscher in einem Dokument zur Methodik auf smartwielen.lu. Es ist wichtig zu beachten, dass dieser Wert ein geometrisches Maß für die Übereinstimmung darstellt, d. h. er basiert auf der durchschnittlichen Entfernung zwischen den Antworten des Nutzers und der Kandidaten über den gesamten Fragebogen, normiert zur maximal möglichen Entfernung. Für jede Frage wird ein Wähler es somit eine größere Nähe geben zwischen einem Wähler, der mit "ja" antwortet, und einem Kandidaten, der mit "eher ja" antwortet, als zwischen demselben Wähler und einem Kandidaten, der mit "eher nein" oder "nein" antwortet. Eine Übereinstimmung von 70% zwischen zwei Profilen bedeutet also nicht, dass ein Nutzer auf 70% der Fragen genau die gleiche Antwort gegeben hat wie ein Kandidat, sondern gibt eine feinere Schätzung der Entfernungen zwischen den beiden. Die verwendeten Formeln sind auf der Website smartwielen.lu unter „Methodologie“ zu finden.

„Nutzer können bei jeder der Antworten auch noch angeben, wie wichtig ihnen diese Frage ist. Diese Gewichtung fließt auch noch in die Berechnung der politischen Nähe zwischen Nutzer und Kandidaten/Parteien ein“, fügt Raphaël Kies hinzu.

Ergänzend zum Matching enthält die Auswertung noch eine sogenannte „Smartmap“, anhand derer ein Nutzer erkennen kann, ob er sich mit seinen Meinungen politisch eher links oder eher rechts befindet und inwieweit seine Ansichten in Richtung Konservativ oder aber Liberal tendieren. Auf dieser zweidimensionalen Smartmap ebenfalls gekennzeichnet sind die Positionen der Parteien und der Kandidaten, sodass der Nutzer sieht, in welchem politischen Umfeld er sich mit seinen Meinungen bewegt. Daneben bekommt der Nutzer noch eine sogenannte „Smartspider“ angezeigt, eine grafische Darstellung der politischen Profile der Kandidaten/Parteien und des Benutzers auf der Grundlage ihrer Antworten auf den Fragebogen. Jede der sechs Achsen repräsentiert ein formuliertes Ziel in einem Politikbereich (z. B., Umweltschutz).

Links/oben: Smartmap der Positionen der Kandidaten im Osten. Ihre jeweilige Parteien sind durch Farben gekennzeichnet. Rechts/unten: Smartspider-Profil der LSAP.

Mehr Infos über die Berechnung der Smartmap und Smartspider auf smartwielen.lu.

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Wie wurde der Fragebogen entwickelt?

Auf Grundlage von Parteiprogrammen und Stellungnahmen in den Medien und mit Hilfe von der Zivilgesellschaft, die die Möglichkeit hatte Fragen vorzuschlagen, seien in einem ersten Schritt zunächst mehr als 400 Fragen gesammelt worden, erklärt Pit Weber, der beim ZpB für das Projekt zuständig ist. Aus diesen 250 Fragen seien dann letztlich 44 ausgewählt und an sämtliche der bei der Wahl antretenden Parteien und Kandidaten mit der Bitte um Antwort verteilt worden. „Uns war es sehr wichtig, dass bei diesen Fragen keine Partei bevorzugt wird und dass es dabei auch keinerlei Interpretationsspielraum gibt“, sagt Weber.

Nicht alle Kandidaten haben den Fragebogen trotz Aufforderung ausgefüllt haben. „Von den 653 Leuten auf den Listen haben 487 Kandidaten der 12 Parteien alle Fragen beantwortet“, sagt Pit Weber vom ZpB. Nicht möglich sei allerdings eine nachträgliche Änderung der abgegebenen Antworten. Damit wollen die Verantwortlichen der Plattform verhindern, dass politische Statements im Nachhinein dem allgemeinen Diskurs angepasst werden.

Das Projekt smartwielen.lu wird auch von wissenschaftlichen Studien begleitet. "Wir arbeiten mit TNS-Ilres an einer repräsentativen Umfrage, um insbesondere die Auswirkungen von smartwielen.lu auf das Wahlverhalten zu untersuchen", sagt Raphaël Kies. "Dieser Teil basiert auf einer Versuchsanordnung, die von Prof. Patrick Dumont von der Australian National University im Rahmen eines 'Mobility In'-Stipendiums des FNR vorgeschlagen wurde. Ein Panel von Wählern wird vor und nach den Wahlen befragt. In einem Vergleich zwischen einer Testgruppe, die aufgefordert wird smartwielen.lu zu benutzen, und einer Kontrollgruppe, die smartwielen.lu nicht benutzt, können die Auswirkungen der Nutzung des Instruments auf verschiedene Aspekte des Wahlverhaltens analysiert werden“, erläutert Raphaël Kies. Er fährt fort: „Wir haben bereits in der Vergangenheit auf der Grundlage von Beobachtungsstudien (Umfragen nach Wahlen) festgestellt, dass Personen mit einem höheren Bildungsniveau das Instrument eher nutzen, aber es auch weniger wahrscheinlich ihr Wahlverhalten ändern, nachdem sie ein solches Instrument verwendet haben". Die Forscher wollen in diesem Jahr mithilfe der aufgebauten Versuchsanordnung mehr herausfinden. Neben der Umfrage planen sie auch eine Medienanalyse. Und schließlich wird im Rahmen eines internationalen Netzwerks eine Umfrage unter Kandidaten nach der Wahl verschiedene wichtige Aspekte der Wahlen untersuchen, wie z. B. die Verfahren, die zu ihrer Nominierung auf einer Liste führten, ihre persönliche Kampagne und ihre Einschätzung der Präferenzen der Kandidaten.

Zur Auseinandersetzung mit Politik beitragen

Im Rahmen der Wahlen ist Smartwielen als Informationsinstrument gedacht, das den Wählern bei ihrer politischen Orientierung helfen kann, ohne eine Wahlempfehlung auszusprechen. Generell betrachtet ist es ebenfalls ein Instrument für politische Bildung.

Für Raphaël Kies von der Uni Luxemburg ist smartwielen.lu eine Art Bildungswerkzeug. „Unser Ziel ist es nicht, die Wähler zu einer bestimmten Wahl zu bewegen, sondern wir möchten sie dazu ermutigen, sich ein umfassenderes Bild von den politischen Parteien und Kandidaten zu machen“, so der Politikwissenschaftler. Es gebe viele Möglichkeiten, sich im Vorfeld der Wahl mit dem Thema auseinanderzusetzen, ergänzt er. Die Plattform Smartwielen diene in diesem Prozess lediglich als zusätzliche Informationsquelle.

Dieses Jahr ist die Webseite in vier Sprachen verfügbar: Luxemburgisch, Französisch, Deutsch und Englisch.  

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Über Raphaël Kies

Dr. Raphaël Kies ist Politikwissenschaftler an der Fakultät für Geistes-, Bildungs- und Sozialwissenschaften der Universität Luxemburg. Er ist ebenfalls Mitgründer und Leiter der Plateforme Luxembourgeoise de la Démocratie Participative (www.pldp.lu). Diese zielt zum einen darauf ab, partizipativen Projekte der Stadt Dudelange (als Pilotstadt) zu bewerten und zu stärken, und zum anderen, eine Bestandsaufnahme zu machen und Projekte der partizipativen Demokratie im ganzen Land zu fördern. Konkrete Projekte sind neben smartwielen.lu auch der Medienpluralismus, e-Petitionen, Luxembourg in Transition und der Klimabiergerrot.

Autoren: Michèle Weber (FNR) & Uwe Hentschel
 

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