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Das Team von Odyssea war auch vor zwei Jahren beim Science Festival dabei

Unterschiedlichen Studien zu Folge landen jedes Jahr um die zehn Millionen Tonnen Plastik in unseren Weltmeeren. Je nach Auftriebswert treibt der Müll entweder an der Wasseroberfläche oder sinkt langsam in Richtung Meeresboden. Welche Auswirkungen das auf die Lebewesen in den Ozeanen hat, damit befasst sich beim Science Festival vom 7. bis 10. November im Luxemburger Grund der Workshop von Odyssea. Die Luxemburgische Organisation wurde 2013 von Meeresbiologen gegründet und hat sich zum Ziel gesetzt, das gesellschaftliche Bewusstsein für den Schutz der Meere zu  stärken. Zum Team von Odyssea gehört auch die Meeresbiologin Anna Schleimer. 

Anna, die Nachfrage an eurem Workshop beim Science Festival ist besonders hoch. Was glaubst du, woran das liegt?

Die Plastikkrise ist ein Thema, das uns alle betrifft und nicht nur die Forscher im Labor. Man findet heutzutage kaum noch Lebensräume, die nicht mit Plastikverschmutzung belastet sind. Forscher berichten von Plastik in den tiefsten Tiefseegräben bis hin zu den fernsten Inseln und sogar in unserem Trinkwasser und in Lebensmitteln. 

Im Vergleich zur Klimakrise sind die Folgen unseres Plastikkonsums für viele greifbarer und schwieriger zu leugnen. Plastik ist ein fester Bestandteil unseres Alltags, und ich denke, dass das Interesse an unserem Workshop zeigt, dass die Bevölkerung bereit ist, das Problem zu anzugehen. 

Was richtet der Plastikmüll in den Ozeanen an?

Immer wieder stranden Tiere mit unvorstellbaren Quantitäten von Plastik im Magen. Dieses Jahr zum Beispiel strandete in den Philippinen ein Schnabelwal mit 40 Kilogramm Plastik im Magen, in Italien war es ein Pottwal mit 20 Kilogramm Plastikbesteck, Mülltüten und Verpackungen. Leider sind solche Berichte nicht selten. Es wird geschätzt, dass neun von zehn Seevögeln bereits Plastikteilchen gefressen haben. 

Aber nicht nur Tiere an der Spitze der Nahrungskette sind betroffen. Das Plankton, also die Tierchen, die die Basis der Nahrungskette im Meer bilden, kann auch nicht zwischen Mikroplastik oder Futter unterscheiden. Das Plankton wird wiederum von Fischen oder Muscheln gefressen. Und so füllt sich langsam der Magen mit Plastik und anderen Schadstoffen, die am Plastik anhaften. Schlussendlich landet unser Plastikmüll wieder auf unseren Tellern

Der Arbeitsplatz von Anna Schleimer ist das Meer

Womit befasst du dich bei deiner Forschung und inwieweit spielt dabei das Thema Plastik eine Rolle?

Die letzten vier Sommer war ich für meine Feldarbeit in Kanada, wo ich mit anderen Walforschern Buckelwale, Finnwale und Blauwale erforscht habe. Meine Analysen für meine Doktorarbeit haben gezeigt, dass es immer weniger Finnwale im Golf von St. Lorenz gibt. Die Überfischung der Fischbestände, der Klimawandel und Kollisionen mit Schiffen könnten allesamt zu diesem Rückgang beigetragen haben. 

Ein weiteres großes Problem sind Fischernetze und –leinen, in denen sich Wale verfangen und schlussendlich verenden. Die Verschmutzung des Meeres ist ein konkretes Problem, das viele verschiedene Tierarten betrifft. Als Meeresbiologin ist es mir deshalb sehr wichtig, auf Plastik in den Meeren aufmerksam zu machen.     

Glaubst du - auch mit Blick auf die Fridays-for-Future-Bewegung -, dass Jugendliche und junge Menschen eine höhere Sensibilität für dieses Thema haben als ihre Eltern?

Unser Umgang mit Plastik hat sich über die letzten Jahrzehnte schnell verändert. Die Massenproduktion von Plastik begann in den 1950ern und Plastikrecycling wurde erst in den 90ern verbreitet eingeführt. Vor etwa zehn Jahren startete dann die Zero-Waste Bewegung, die dazu aufrief, den Plastikkonsum drastisch zu reduzieren. 

Zero-Waste-Bloggers, Naturdokumentarfilme wie „Unser Blauer Planet“ und inspirierende Jugendliche wie Greta Thunberg oder Boyan Slat scheinen vor allem junge Menschen dazu zu bewegen, Veränderungen in unserem Umgang mit der Umwelt zu fordern. Beim Workshop vor zwei Jahren hatten wir aber auch viele interessierte Eltern, die mehr über das Plastik in Kosmetikprodukten erfahren wollten. 

Siehst du denn eine realistische Chance, das Problem in absehbarer Zeit in den Griff zu bekommen?

Eines ist sicher: Ohne Handeln kann das Problem nicht gelöst werden. Die gute Nachricht ist aber, dass jeder einfache Schritte unternehmen kann, um den eigenen Plastikkonsum einzuschränken. Wie einst ein Teilnehmer unseres Workshops sagte: „If I change, one thing changes.“ 

Die Verantwortung liegt aber nicht nur beim Verbraucher. Wir benötigen darüber hinaus Gesetze, welche die Plastikproduktion regulieren. Und wir brauchen effiziente Systeme, die verhindern, dass Plastik und Mikroplastik in die Umwelt gelangen. Vereinzelte Initiativen, wie das Ocean Cleanup Projekt von Boyan Slat, der mit 18 Jahren ein System entwickelt hat, um Plastik aus dem Meer wieder herauszufiltern, geben Hoffnung.  

Interview: Uwe Hentschel

Fotos (Diaporama): MICS photo

 

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