Schwangere Frau mit Herz aus Bakterien.

Foto (c) Linda Wampach

Mütter geben Neugeborenen bei der vaginalen Geburt ein natürliches Geschenk mit auf den Weg: Bakterien. Diese frühe Stimulierung des Immunsystems ist positiv für die Entwicklung des Kindes.

Unumstritten gilt die vaginale Geburt als natürlichste Art, auf die ein Kind die Welt erstmals erblicken kann. Nicht nur werden bei dieser Geburtsform der Kreislauf des Neugeborenen intensiv angeregt und Fruchtwasser aus den Lungen gepresst, um die Atmung im neuen Umfeld zu vereinfachen. Ein weiterer, oft nicht bedachter Aspekt, der die Gesundheit des neuen Erdenbewohners aber deutlich und langfristig beeinflussen wird, kommt entscheidend hinzu: die Erstbesiedlung durch Bakterien während des Geburtsprozesses durch den mütterlichen Vaginalkanal.

Bei einer vaginalen Geburt überträgt die Mutter nützliche Bakterien an ihr Neugeborenes.

Die Bakterien, die die Mutter bei einer natürlichen Geburt ganz natürlich an den kleinen Sprössling weitergibt, beeinflussen auf positive Weise die Entwicklung einer gesunden Darmflora beim Neugeborenen. Bakterien, die mindestens die Hälfte aller Zellen in und auf dem menschlichen Körper ausmachen, haben nämlich unlängst nicht mehr nur den schlechten Ruf von üblen Krankheitserregern. Sondern sind unter dem Sammelbegriff des Mikrobioms mittlerweile anerkannt mitverantwortlich für das menschliche Wohlbefinden.

Mehrere mikrobiologische Studien deuten darauf hin, dass gerade die Erstbesiedlung während der natürlichen Geburt äußerst wichtig ist, um eine optimale Zusammensetzung von verschiedensten Darmbakterien zu fördern. Die Bakterien die sich als erstes im Darm niederlassen, bestimmen dabei welche weiteren Bakterien-Arten sich späterhin ansiedeln können, um ein komplexes Netzwerk aus Mikroorganismen zu bilden - das untereinander, aber auch mit dem Menschen kommunizieren kann. Somit kann sich ein natürliches Mikrobiom zusammensetzen um eine gesunde Entwicklung des Neugeborenen zu unterstützen.

Frühe Stimulierung des Immunsystems positiv für die anfängliche und langfristige Entwicklung des Kindes

Auch luxemburgische Forscher des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB) haben sich diesem interessanten Thema gewidmet und dabei Erstaunliches herausgefunden: Nicht nur werden im Falle einer vaginalen Geburt äußerst spezifische Bakterien von Mutter zu Kind übertragen. Diese können zudem im Darm auch wertvolle metabolische Funktionen für das Neugeborene übernehmen und somit unter anderem die Entwicklung des Darmtraktes und vor Allem das Immunsystem von Frühestem an fördern und stärken.

Die luxemburgischen Forscher deuten eine frühe Stimulierung des Immunsystems als durchaus positiv für die anfängliche und langfristige Entwicklung des Kindes. In diesem Sinne würde das Neugeborene ganz natürlich und optimal auf die bakterienreiche Welt vorbereitet werden und somit könnte mitunter ein späteres Risiko für verschiedene Krankheiten des Abwehrsystems wie zum Beispiel Allergien reduziert werden.

Eine Geburt per Kaiserschnitt verhindert den Austausch von Bakterien zwischen Mutter und Neugeborenem

Im Falle einer Geburt per Kaiserschnitt findet dieser wichtige Austausch von mütterlichen Bakterien gar nicht oder nur sehr bedingt statt. Wegen der sterilen Natur des medizinischen Eingriffs wird logischerweise der Kontakt zu vaginalen oder intestinalen Bakterien der Mutter unterbunden. In diesem Falle sind die ersten bakteriellen Besiedler des neugeborenen Darms dann meist auf Haut oder Umgebung zurückzuverfolgen.

Laut den Forschungsresultaten aus Luxemburg, die heute in dem renommierten Fachjournal Natur publiziert wurden, besaßen Neugeborene, die per Kaiserschnitt geboren wurden zwar selbstverständlich auch eine Darmflora. Jedoch zeigten sie zum Einen deutliche Unterschiede in der Zusammensetzung ihrer Darmflora im Vergleich zu natürlich geborenen Kindern auf. Zum Anderen wurden teilweise gar keine Bakterien nachgewiesen, die direkt von der Mutter stammten.

Auch die metabolischen Funktionen, welche die vorhandenen Bakterien erfüllten, waren deutlich weniger ausgeprägt. Zudem war das Potenzial dieser Bakterien das Immunsystem des Neugeborenen positiv zu beeinflussen wesentlich geringer als bei vaginal geborenen Gleichaltrigen.

Erhöhte Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten für Kinder, die per Kaiserschnitt geboren werden

Kinder die per Kaiserschnitt geboren werden, sind natürlich nicht krank, haben jedoch eine etwas erhöhte Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten wie Übergewicht, Allergien oder Asthma im fortgeschrittenen Alter. Wenn sich auch die bakterielle Zusammensetzung im Darmtrakt unabhängig von der Geburtsart mit der Zeit immer ähnlicher wird, so sind es doch die sehr frühen Unterschiede, die in diesem Fall ausschlaggebend sein könnten. Geht man von den neuesten Erkenntnissen aus, so könnte es durchaus möglich sein, dass der fehlende natürliche Kontakt zu mütterlichen Bakterien bei der Geburt, einen Teil zu dieser erhöhten Anfälligkeit beitragen könnte.

31% aller Geburten in Luxemburg werden per Kaiserschnitt durchgeführt

Zurzeit gibt es in Europa den zunehmenden Trend immer öfters die Geburt per Kaiserschnitt zu wählen. Luxemburg bildet dabei keine Ausnahme. Hier kommt im Schnitt fast jedes dritte Kind per Kaiserschnitt auf die Welt. Trotzdem muss man dabei unterscheiden, ob medizinische Gründe vorliegen, die für den chirurgischen Eingriff sprechen, oder nicht. Denn auf jeden Fall sollen Mutter und Kind die Geburt bestmöglichst und gesund überstehen!

Trotz der Vorteile die eine natürliche Geburt für die unsichtbare bakterielle Besiedlung des Neugeborenen haben kann, raten Forscher und Ärzte jedoch stark davon ab, im Falle eines ungewollten Kaiserschnitts eine eigene Besiedlung des Neugeborenen vorzunehmen, indem dem Kind nach dem Eingriff mütterliche Bakterien gegeben werden. Hierzu sind unbedingt weitere Studien notwendig, um die Risiken und Vorteile von ähnlichen Praktiken realistisch einschätzen zu können.

Forscher erhoffen sich Neugeborenen langfristig mit Bakterien auf die Sprünge zu helfen.

Mit weiteren tiefgreifenden Studien, die an bisherige Ergebnisse anknüpfen, könnten die Forschungsresultate aus Luxemburg die neonatale Pädiatrie nun auf längere Sicht hin verändern. So könnte man sich vorstellen in Zukunft Neugeborene, die per Kaiserschnitt auf die Welt kommen, von Frühestem an zu versorgen, damit sie vaginal geborenen Kindern, zumindest aus Sicht des Mikrobioms gesehen, in nichts nachstehen.

Das Forschungsprojekt aus dem die erläuterten Resultate hervorgingen wurde erstmals 2011 vom Mikrobiologen Paul Wilmes und der pädiatrischen Medizinerin Carine de Beaufort ins Leben gerufen. Um bestmögliche Resultate zu erzielen, wurde vom LCSB aus in enger Zusammenarbeit mit dem Centre Hospitalier de Luxembourg (CHL) und der Integrated BioBank of Luxembourg (IBBL) gearbeitet. Finanziert wurde das Projekt dabei vom Fond National de la Recherche (FNR), der IBBL und einer großzügigen Unterstützung seitens der Fondation André et Henriette Losch.

Autorin: Linda Wampach.
Editors: Jean-Paul Bertemes, Michèle Weber

Linda Wampach ist eine der drei Hauptautorinnen der Forschungsstudie, die heute im renommierten Fachjournal Nature Communications veröffentlicht wurde. Die luxemburgische Forscherin, selber auch Mutter, sagt zu den Ergebnissen ihrer Studie: "Ich kann werdende Mütter nur dazu ermutigen, den Willen und den Mut aufzubringen, auf natürliche Weise ihr Kind zur Welt zu bringen. Das ist ein besonderes Geschenk für die Kinder. Allerdings natürlich nur, wenn es keine gesundheitlichen Bedenken gibt. Die Gesundheit von Mutter und Kind steht an erster Stelle."

Literatur:

http://www.sante.public.lu/fr/publications/c/cesarienne-fr-de-pt-en/index.html

C-section births linked to long-term child health problems. Available at: http://www.cbsnews.com/news/c-section-cesarean-births-child-health-problems-asthma-obesity-diabetes/

Wampach, L. et al. Colonization and succession within the human gut microbiome by archaea, bacteria and microeukaryotes during the first year of life. Front. Microbiol. 8, (2017).

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