Die Regierungskoalition ist bei den am Freitag beschlossenen Lockerungen für Gentechnik auf EU-Ebene gespalten: Forschungsministerin Dorothee Bär und Landwirtschaftsminister Rainer (beide CSU) begrüßten den Beschluss als "Meilenstein für neue Züchtungsmethoden in der Landwirtschaft". Justizministerin Verena Hubig und Umweltminister Schneider (beide SPD) dagegen kritisierten den Beschluss. Bei der Abstimmung in Brüssel hatte Deutschland sich enthalten.

Vertreter der 27 EU-Mitgliedstaaten hatten am Freitag mit knapper Mehrheit dafür gestimmt, dass Produkte aus bestimmten gentechnisch veränderten Pflanzen im Supermarkt künftig keine Kennzeichnung mehr tragen müssen. Aufwendige Umweltprüfungen vor der Zulassung sollen wegfallen. Die Regeln betreffen sogenannte Neue Genomische Techniken (NGT): Dabei geht es um eine begrenzte Anzahl gentechnischer Eingriffe - etwa durch die "Gen-Schere" Crispr-Cas.

Forschungsministerin Bär erklärte, die neuen genomischen Techniken "bieten enormes Potenzial, um Pflanzen klimaresistenter und ertragreicher zu machen". Nutzpflanzen könnten so widerstandsfähiger werden, zum Beispiel gegen Krankheiten, bei Trockenheit oder Wind. Landwirtschaftsminister Rainer erklärte, die Entscheidung aus Brüssel schaffe "klare Rahmenbedingungen für moderne Pflanzenzüchtung".

Er betonte gleichzeitig, es sei "richtig", dass die Auswirkungen auf die biologische Landwirtschaft und auf den Zugang zu genetischen Ressourcen evaluiert werden sollen. Er nehme die Bedenken vieler Landwirte und Verbraucher "sehr ernst".

Umweltminister Schneider hatte die Entscheidung am Freitag als "schweren Fehler" kritisiert. "Die große Mehrheit der Menschen will selber entscheiden können, ob sie sich mit oder ohne Gentechnik ernährt." Justizministerin Hubig erklärte, die Abschaffung von Kennzeichnungspflichten für gentechnisch veränderte Pflanzen sei "ein falscher Weg". Lebensmittel, die gentechnisch verändertes Material enthalten, sollten weiterhin als solche gekennzeichnet werden müssen, forderte sie.

Das Europaparlament muss dem Gesetz noch zustimmen. Dort zeichnet sich eine Mehrheit aus Teilen der Liberalen, Konservativen und den Rechtsaußen-Fraktionen ab.

Schneider hofft, dass das EU-Parlament den Beschluss noch "korrigiert". Ansonsten werde es darum gehen, "den Schaden für Deutschland zu begrenzen". Die Politik dürfe die landwirtschaftlichen Betriebe, die weiterhin gentechnikfrei produzieren wollen, "nicht alleine lassen". Für sie müsse es dann neue gentechnikfreie Lieferketten geben und neue Nachweismethoden, die es ermöglichen, gentechnisch veränderte von gentechnikfreien Pflanzen und Produkten zu unterscheiden.