Foni Raphaël Lebrun

© University of Sussex

Foni Raphaël Lebrun forscht an der University of Sussex in der Abteilung für Physik und Astronomie und befasst dich dort mit Quantencomputern.

Raphaël, du forschst an der University of Sussex in der Abteilung für Physik und Astronomie im Rahmen deiner Doktorarbeit und befasst dich dort mit Quantencomputern. Worin liegt eigentlich der Unterschied zwischen einem Quantencomputer und einem digitalen Computer, wie wir ihn kennen?

Bei einem klassischen, digitalen Computer werden digitale Informationen in einer Sequenz von Binärziffern, also Bits, codiert. Ein Bit ist die kleinste Informationseinheit, und wir haben hierbei ein Duales Zahlensystem, bei dem es entweder nur 0 oder 1 gibt. In der Praxis lassen sich diese Bits auf einem Computer speichern, indem beispielsweise zwei unterschiedliche Ladungspegel in einem Kondensator verwendet werden. Die Bits lassen sich mit Hilfe eines bestimmten Spannungssignals übertragen. Und sie können mit Hilfe von Transistoren verarbeitet werden, was den Bits ermöglicht, den Wert eines anderen Bits zu beeinflussen, um so eine Logik aufzubauen. Auch wenn sich die technische Umsetzung immer weiterentwickelt hat, so ist das Prinzip der klassischen Informationsverarbeitung nach wie vor das gleiche. 

Im Gegensatz dazu steht der Quantencomputer für eine tiefgreifende Veränderung des Rechenkonzepts. Quantencomputer arbeiten mit Quantenbits beziehungsweise Qubits, die ebenfalls gespeichert, übertragen und verarbeitet werden können, bei denen es jedoch zu einer Überlagerung kommt. Ein Qubit kann also 0 und 1 zugleich sein und wird mit der jeweils unterschiedlichen Wahrscheinlichkeit gespeichert. Hinzu kommt, dass eine Art Korrelation zwischen den Qubits ermöglicht, dass sämtliche Kombinationen einer klassischen Bit-Sequenz gleichzeitig und parallel existieren können. Und das ist faszinierend. 

Er kann also nicht nur einfach schneller rechnen?

Nein, es geht gar nicht darum, bessere physikalische Voraussetzungen zu schaffen, nur um dieselben Operationen in kürzerer Zeit durchzuführen, sondern um eine Abkürzung durch die Quantenwelt. Es geht darum, die Rechenspiele mit besseren Regeln und besseren Gesetzen, die von der Quantenmechanik vorhergesagt werden, zu spielen.   

Und wozu ist das hilfreich?

Nun, da wird es spannend. Entgegen der allgemeinen Vorstellung ist ein Quantencomputer keine Allzweckmaschine, der eine Beschleunigung in allen Bereichen der Datenverarbeitung ermöglicht. Tatsächlich gibt es nur bestimmte Aufgaben, bei denen der Quantencomputer dem klassischen Computer wirklich überlegen ist.

Zum Beispiel?

Die erste Art Quantencomputer, die theoretisch konzipiert wurde, war ein Quantensimulator. Damit wäre es möglich, ein Quantensystem aus vielen Teilchen effizient zu untersuchen und zu simulieren. Der leistungsstärkste herkömmliche Supercomputer, den es heute gibt, hätte Schwierigkeiten, ein Quantensystem mit mehr als 40 Teilchen zu simulieren. Eine höhere Anzahl von Simulationen könnte aber dabei helfen, die Materialwissenschaften effizienter zu betreiben oder die Eigenschaften von Molekülen herauszufinden. Und das könnte beispielsweise der pharmakologischen Industrie zu einem enormen Schub bei der Suche nach Wirkstoffen verhelfen.  

Darüber hinaus können Quantencomputer Such- und Optimierungsalgorithmen ausführen, um effizient große Datenmengen zu untersuchen oder eine Lösung für ein komplexes Optimierungsproblem zu finden. Das könnte zum Beispiel dazu beitragen, maschinelles Lernen zu beschleunigen und künstliche Intelligenz weiterentwickeln. Eben weil ein Quantencomputer in der Lage ist, alle Möglichkeiten gleichzeitig zu untersuchen.

Wir wissen, dass wir mit Blick auf das, was ein Quantencomputer alles leisten kann, bis jetzt nur an der Spitze des Eisbergs gekratzt haben. Durch die exponentielle Beschleunigung der Datenverarbeitung wird diese Technologie zu einem unschätzbar wertvollen Werkzeug für die Forschung, um die Natur zu studieren und Techniken zu entdecken, die sich direkt auf unser Leben auswirken. Die Anwendungsmöglichkeiten haben das Potenzial, jede Branche aufzumischen.

Das klingt, als sei es nicht einfach, einen solchen Computer zu bauen…

Es ist schwer vorstellbar für uns, auf eine Wand zuzulaufen und zu erwarten, dass wir auf der anderen Seite landen. Ein Teilchen ist dazu in der Lage – man nennt dieses Phänomen Quantentunnel. Das Problem ist, dass sich isolierte Quantensysteme nach dem Gesetz der Quantenmechanik verhalten, diese Quanteneigenschaft jedoch verlieren, wenn sie an ein physikalisches Ensemble gekoppelt sind. Diese Eigenschaft zu erhalten ist eine kniffelige Aufgabe. Eine wesentliche Herausforderung für den Bau eines Quantencomputers besteht deshalb darin, Quantensysteme zu erstellen, die ausreichend isoliert sind, um so unser System vor unerwünschten Wechselwirkungen zu bewahren.

Und welchen Beitrag liefert dabei deine Arbeit?

Bei meiner Doktorarbeit geht es darum, einen experimentellen Aufbau für das Quanten-Computing zu entwickeln, das sich skalieren lässt. Das wird zukünftigen Quantencomputern ermöglichen, die große Anzahl von Qubits, die für eine universelle Quantenberechnung benötigt werden, zu halten. 

Also ein weiterer Schritt in der Entwicklung von Quantencomputern. Zeichnet sich damit so langsam das Ende der digitalen Ära ab?

Ich denke nicht, dass Quantencomputer in absehbarer Zeit unsere digitalen Computer ersetzen werden. Ich glaube vielmehr, dass Quantencomputer zukünftig ähnlich wie die heutigen Supercomputer genutzt werden und dass es in ein paar Jahren hybride Computer geben wird. Selbst in einer Welt, in der Quantencomputer die digitalen übernehmen würden, bräuchten wir immer noch klassische Prozessoren, um sie zu betreiben.  Das liegt einfach daran, dass wir eine Verbindung zwischen dem Quantenreich und unserer klassischen, mikroskopischen Welt benötigen.

Interview: Uwe Hentschel

Foto: University of Sussex

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