Der Mensch ist was er isst – ist da was dran? Inwieweit trägt Ernährung wirklich und messbar zu einem gesünderen und längeren Leben bei?

Wie denken Sie ?
a) Eine gesunde Ernährung ist genauso wichtig wie genug Bewegung und Nichtrauchen
b) Die Gene sind wesentlich entscheidender
c) Ausreichend Bewegung ist am wichtigsten

“Der Mensch ist was er isst“

Dies sagte schon der deutsche Philosoph Ludwig Feuerbach vor über 150 Jahren, auch wenn damit damals gemeint war, dass sich der Mensch eher um sein leibliches Wohl als um seine Vernunft kümmert – im Gegensatz zu « cogito ergo sum ».

Unser heutiger, hektischer Lebensalltag mit wenig Bewegung, vielen Kalorien, und den steigenden Übergewichtsraten und der Obesitas Pandämie scheint ihm recht zu geben. Nach neuen Erkenntnissen sind zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit mehr Personen übergewichtig als unterernährt – ca. 1.4 Millarden gegenüber 0.8 Milliarden. In einigen Ländern gelten bis zu 2/3 der Bevölkerung als übergewichtig.

Die Konsquenzen sind steigende Altersdiabetes-Raten - fast jeder zehnte ist bei uns hieran erkrankt, Bluthochdruck, Herzkreislauferkrankungen, und teils erhöhte Raten einiger Krebserkrankungen wie des Verdauungstraktes. Eingeschränkte Gesundheit im Alter und gar frühere Sterblichkeit, trotz allen medizinischen Fortschrittes, sind die Folge.

Welchen Anteil hat Ernährung an einem gesunden Leben?

Aber sind nicht die Gene Schuld an unserem Dilemma? Welchen Anteil haben Umweltbedingungen gegenüber genetischer Veranlagung an einem gesunden Leben?

Hier helfen Studien mit eineiigen Zwillingen weiter, die zwar das gleiche Erbgut besitzen, aber an verschiedenen Orten aufwuchsen. Aus diesen Studien lässt sich abschätzen, dass die Lebensspanne, als « Marker » für Gesundheit, nur zu ca. ¼ von den Genen abhängt – ¾ bleiben also für Umweltbedingungen.

Weitere Studien deuten darauf hin, dass sich diese ¾ zu etwa gleichen Teilen auf Nichtrauchen, genug Bewegung, und eine gute Ernährung verteilen. Somit ist also an Ludwig Feuerbach’s Zitat etwas dran. Hinzu kommt, dass sich unsere Gene nur etwa 0.3% pro Jahrmillionen Jahre verändern und mit unserer modernen Umwelt nicht schritthalten können.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass durch gesunde Ernährung etwa 1/3 an Krebserkrankungen, über ¾ and Herzinfarkten, and beinahe sämtliche Altersdiabetesfälle vermeidbar wären. 

Die richtige Antwort lautet also: a) Eine gesunde Ernährung ist genauso wichtig wie genug Bewegung und Nichtrauchen.

Gesunde Ernährung – von vor der Geburt bis ins Erwachsenenalter !

Bestimmte „Zeitfenster“, also Lebensabschnitte, scheinen in unserer Entwicklung besonders wichtig zu sein. Hierzu gehören insbesondere die Exponierung im Mutterleib, die ersten „1000 Tage“ nach der Geburt, und die Pubertät.

In diesen Abschnitten werden wichtige Weichen für die späterer Entwicklung gestellt. Ein Mangel an insbesondere essentiellen Nährstoffen – also an Mineralstoffen, Spurenenlementen und Vitaminen – aber auch ein ungünstiges Verhältnis der Makronährstoffe - d.h. von Fetten, Proteinen, und  Kohlenhydraten – in diesen Perioden kann schwerwiegende, langfristige, und irreparable Schäden verursachen.

Der kriegsbedinge holländische Hungerwinter 1944/45 führte zum Beispiel bei Nachwuchs von schwangeren Frauen zu Personen, die besonders anfällig für Altersdiabetes waren – dies war sogar noch in der zweiten Folge-Generation nachweisbar!

Im frühen Kindesalter ist eine ausreichend hohe Zufuhr an Fetten und eine nicht zu hohe Menge an Eiweiss, wie etwa in der Muttermilch vorhanden, ein Schutzfaktor für späteres Übergewicht. Auf der anderen Seite können viele, auch mit der Nahrung oder Wasser zugeführte Umweltgifte wie Pestizide das Hormonsystem durcheinander bringen – Konzentrationsstörungen, psychologische Störungen und ein schwaches Immunsystem können die Folgen sein.

Und wer seinen Kalziumhaushalt als Heranwachsender vernachlässigt, kann dies später nur bedingt ausgleichen – ein erhöhtes Risko an Osteoporose (Knochenbrüchigkeit), gerade bei Frauen, ist die Folge.

In späteren Jahren ist auf eine ausgewogene Ernährung zu achten. Studien zeigen, dass Versuchstiere mit einer Mischung, die viele (komplexe, also nicht zuckerhalige) Kohlenhydrate und Proteine, aber weniger Fette enthalten, bis zu 33% länger leben als solche, die viele Fette, viele Kohlenhydrate, und wenig Proteine konsumieren.

Für uns heißt dies: ca. 50% der Energie sollten von Kohlenhydraten stammen, 30% von Fetten, 20% von Proteinen.

Worauf sollte man achten ? Praktische Tips

Auch wenn die Medien etwas anderes suggerieren – einige, lang bekannte Grundregeln einer gesunden Ernährung gelten nach wie vor. Die deutsche Gesellschaft für Ernährung (www.dge.de) hat dies in den 10 Regeln einer gesunden Ernährung dargelegt:
1. Vielfältig Essen
2. Reichlich Getreide/Kohlenhydrate
3. Milch und Milchprodukte täglich, Fisch ein- bis zweimal in der Woche, Fleisch, Wurstwaren sowie Eier in Maßen
4. Wenig Fett-und fetthaltige Lebensmittel
5. Zucker und Salz in Maβen
6. Reichlich Flüssigkeit
7. Schonend zubereiten
8. Zeit nehmen und geniessen
9. Auf Gewicht achten und genug bewegen
10. 5 mal am Tag ausreichend Obst und Gemüse essen

Zur Faustregel « 5 am Tag », also 5 Mal ausreichend Obst und Gemüse pro Tag: Hier sind eine Portion etwa 80-100 g (etwa – ein kleiner Apfel) – es sollte idealerweise 3 Mal Gemüse sein. Eine Portion kann gegen einen Saft (Obst oder Gemüse) ausgetauscht werden. Somit nehmen Sie genug Ballaststoffe, Mineralien, Vitamine und auch die sogenannten sekundären Pflanzeninhaltsstoffe auf – etwa die roten Anthocyane die auch den Rotwein färben, oder das organgefarbene Beta-Karotin.

Etwas Vielfalt sollte es schon sein.  « An apple a day keeps the doctor away » - obwohl Äpfel als gesund gelten, sollten es nicht 5 Äpfel am Tag sein!

Studien haben gezeigt, dass Personen, die täglich wenigstens 3, besser 5 Portionen Obst/Gemüse zu sich nehmen, ein ca. 20% geringeres Risiko haben, Herzkreislauferkranken zu entwickeln.

Bringen mir Diäten etwas?

Die meisten Studien hierzu sagen – eher nicht. Zwar lassen sich mit einigen, teils drastischen Diäten schnell Pfunde verlieren. Aber dies ist meist Wasser und auch teils Muskelgewebe, also nicht Fett. Da sich der Körper schnell and die weniger Kalorien anpasst und auf « Sparmodus » geht, kann bei einem Rückfall der Körper schnell wieder Reserven aufbauen – dieser « Jojo-Effekt » dürfte vielen Diät-betreibenden bekannt sein.

Eine leichte Reduktion der Energieaufnahme, zusammen mit ausreichend Bewegung, und einer abwechlungsreichen Ernährung, ist hier sicherlich die beste Alternative.

Zwar gibt es immer wieder Ausnahmen – Personen, die trotz ungesunder Ernährung ein hohes Alter erreicht haben – wie etwa Winston Churchill, dem etwa 20 „Glässchen“ Whisky und zahlreiche Zigarren pro Tag nachgsagt wurden, und der trotzdem ein stolzes Alter von 90 Jahren veruchen konnte  - doch dies sind Einzelfälle, in denen wohl wirklich „gute Gene“ eine schüztende Rolle spielten...

Zur Person

Der Autor Torsten Bohn ist Ernährungsforscher am Luxembourg Institute of Health (LIH). Er forscht an der Bioverfügbarkeit von Mikronährstoffen und deren Einfluss auf die Gesundheit. Zudem unterrichtet er als Adjunct Associate Professor an der Universität Luxemburg und ist Chefredakteur des “International Journal for Vitamin and Nutrition Research”. Torsten Bohn, aufgewachsen in Troisdorf bei Bonn, kam nach den Stationen Frankfurt am Main, ETH Zürich und Ohio State University, im Jahr 2007 nach Luxemburg zum damaligen CRP-Gabriel Lippmann. Seit 2016 arbeitet er nun beim LIH und kann auch in seiner Freizeit auf sein Ernährungsknowhow zurückgreifen: Torsten Bohn ist leidenschaftlicher Triathlet und Läufer.

In den kommenden Wochen wird science.lu jeden Dienstag ein neues Quiz von Torsten Bohn veröffentlichen.

Autor: Torsten Bohn
Foto: LIST
Literatur : Popkin, Barry. The world is fat. Penguin Group, 2009.

Infobox

Torsten Bohns Ernährungsquiz

Eine Serie von 10 Folgen, jeweils Dienstags auf science.lu!

Auch interessant

Gewiichtsmanagement “Ofhuelsprëtz”: Wonnermëttel fir ofzehuelen oder Risiko fir d’Gesondheet?

E Medikament wat eigentlech fir Typ-2 Diabetiker entwéckelt gouf, gëtt ëmmer méi als Mëttel benotzt fir ofzehuelen. Mee ...

FNR
November-Blues Wat kann ee maachen, fir seng Laun ze verbesseren?

Dréif Novemberdeeg – dréif Laun. Wat kann ee maachen, fir och an dëser Zäit gutt drop ze sinn?

FNR
Grouss Botz Wéi dacks soll een duschen?

Duschen erfrëscht de Kierper an d’Séil. Mee wéi dacks ass gutt oder schlecht fir eis Haut?

FNR

Auch in dieser Rubrik

Science Check Was sind die Vor- und Nachteile der Sommerzeit?

Zweimal im Jahr die Zeit umzustellen, soll (anscheinend?) Energie sparen, aber negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Was die Wissenschaft dazu sagt.

FNR
Künstliche Intelligenz Der EU AI Act: Motor oder Bremse für Forschung und Innovation?

Das erste Gesetz weltweit zur Regulierung Künstlicher Intelligenz ist gestimmt: der EU AI Act der Europäischen Union. Drei wissenschaftliche Experten erläutern, was sie von dem Regelwerk halten.

29. Februar
Kalendergeschichten Wie ist eigentlich unser Kalender entstanden?

Den 29. Februar gibt es nur alle vier Jahre – in den Schaltjahren. Doch warum ist das so und wie sind unsere Vorfahren draufgekommen?

FNR