Insbesondere Antioxidantien haben für viele Schlagzeilen gesorgt. Kann die Einnahme von Vitaminpillen nützlich sein?

Wie denken Sie?
a) Ja, Vitaminpillen sind gesund
b) Nein, sie sind nicht gesund
c) Nur Vitamin C hilft

Vitamine – nicht nur Radikalfänger

Vitamine gelten als gesund. Sie stehen für eine gesundheitsbewusste Ernährung - das gewisse trendige Plus, um Gesundheit und Fitness en passant zu boosten, und um schädlichen Stoffen in unserem Körper ein Schnippchen zu schlagen. Was aber können sie wirklich leisten?

Einige Vitamine wie auch andere Stoffe, etwa Polyphenole und Karotenoide (teils Vitamin A Vorstoffe), agieren als Antioxidantien – sie verhindern, dass schädliche, sauerstoffreiche Moleküle in unserem Körper Zellmembranen oder andere Strukturen zerstören. Insbesondere Vitamin E und C sind gute Antioxidantien.

Ein großer Verfechter von letzterem war z.B. der zweifache Nobelpreisträger Linus Pauling – er propagierte bis zu 10 g Vitamin C pro Tag zur Krebsvorbeugung – über das 100 Fache der empfohlenen Menge! Er verstarb trotzdem an Prostakrebs – allerdings erst im Alter von 93 Jahren. Vitamin C wird auch gerne in der Apotheke zur kalten Jahreszeit verkauft – als Vorbeugung gegen Erkältungen. Auch wenn beides – wissenschaftlich belegt – nichts bringt.

Fest steht: ohne eine Mindestmenge an lebensnotwendigen Vitaminen  - 13 an der Zahl – geht bei uns nichts. Die notwendige Tagesmenge variiiert von einigen millionstel Gramm bis zu einem zehntel Gramm. Ohne Vitamine kommt es zu Mangelerscheinungen wie dem Skorbut (bei Vitamin C-Mangel) – früher bei Seefahrer gefürchtet -  oder Beri-Beri (bei Vitamin B1-Mangel) – früher eine Folge der Zufuhr an geschältem Reis in asiatischen Ländern.

Ist ein Zuviel des Guten zuviel ?

Ja, wenn es um Vitamine und insbesondere um Antioxidantien geht. Zunächst wird ein Zuviel an Vitaminen (insbesondere der wasserlöslichen – alle ausser A, D, E, K) im Körper meist sowieso wieder über den Urin ausgeschieden.  Ihre Extra-Ausgaben landen also schnell in der Kläranlage.

Noch schlimmer die Antioxidantien : Meta-Analysen, die mehrere Einzelstudien zusammenfassen, haben untersucht, ob die zusätzliche Aufnahme von Vitamin C oder Beta-Karotin Vorteile bringen.

Fazit : Mitnichten. Sie erhöhten sogar (zumindest bei Beta-Karotin) die Gesamtsterblichkeitsrate. Wer Vitamine zu sich nahm, zahlte also doppelt.

Weshalb, ist nicht gänzlich geklärt – vielleicht beraubt man dem Körper seiner normalen Stress-Resistenz. Möglich auch, dass isolierte Antioxidantien, in großer Menge und außerhalb der Nahrung eingenommen, letztlich mehr schädliche Radikale produzieren. Auch wer glaubt, seine sportive Performance zu verbessern: Nehmen Sie keine Antioxidantien zum oder nach dem Training zu sich! Der Körper braucht die entstehenden Radikale, um sich anschließend von selbst auf ein höheres Stressresistenz-Niveau einzupendeln!

Fazit

Wenn Sie glauben, sie kommen in Punkto Antioxidantien zu kurz – nehmen Sie einen Apfel mehr mit. Besser : 5 Mal am Tag Obst/Gemüse. Schlimmstenfalls: Greifen Sie – gelegentlich - auf ein Multivitamin/Multimineralstoff Präparat zurück – hier sind weniger hohe bedenkliche Mengen eines einzigen Stoffes enthalten !

Die richtige Antwort lautet als : b) Nein, sie sind nicht gesund

Zur Person

Der Autor Torsten Bohn ist Ernährungsforscher am Luxembourg Institute of Health (LIH). Er forscht an der Bioverfügbarkeit von Mikronährstoffen und deren Einfluss auf die Gesundheit. Zudem unterrichtet er als Adjunct Associate Professor an der Universität Luxemburg und ist Chefredakteur des “International Journal for Vitamin and Nutrition Research”. Torsten Bohn, aufgewachsen in Troisdorf bei Bonn, kam nach den Stationen Frankfurt am Main, ETH Zürich und Ohio State University, im Jahr 2007 nach Luxemburg zum damaligen CRP-Gabriel Lippmann. Seit 2016 arbeitet er nun beim LIH und kann auch in seiner Freizeit auf sein Ernährungsknowhow zurückgreifen: Torsten Bohn ist leidenschaftlicher Triathlet und Läufer.

Autor : Torsten Bohn (LIH)
Redakteur : Jean-Paul Bertemes

Literatur : Bjelakovic G, Nikolova D, Gluud LL, Simonetti RG, Gluud C. Mortality in randomized trials of antioxidant supplements for primary and secondary prevention: systematic review and meta-analysis. JAMA. 2007 Feb 28;297(8):842-57. 

Porträt „Eine Errungenschaft für Luxemburg und unsere Forschungsgruppe“

Wissenschaftler des Luxembourg Institute of Health (LIH) wurden mit einem Prix Galien für ihren herausragenden Beitrag z...

LIH
Highly Cited Researchers Immer wieder gerne zitiert: Die multidisziplinäre Arbeit von Stéphane Bordas

Es gibt Wissenschaftler, auf deren Arbeiten in Publikationen besonders häufig Bezug genommen wird. Uni-Professor Stéphan...

Medizin Hypnose in einem medizinischen Umfeld, wofür und wie wirksam ist sie?

Die Hypnose wird immer häufiger eingesetzt, um beispielsweise Schmerzen zu lindern. Die Öffentlichkeit ist jedoch geteil...

FNR

Auch in dieser Rubrik

Science Check Was sind die Vor- und Nachteile der Sommerzeit?

Zweimal im Jahr die Zeit umzustellen, soll (anscheinend?) Energie sparen, aber negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Was die Wissenschaft dazu sagt.

FNR
Künstliche Intelligenz Der EU AI Act: Motor oder Bremse für Forschung und Innovation?

Das erste Gesetz weltweit zur Regulierung Künstlicher Intelligenz ist gestimmt: der EU AI Act der Europäischen Union. Drei wissenschaftliche Experten erläutern, was sie von dem Regelwerk halten.

29. Februar
Kalendergeschichten Wie ist eigentlich unser Kalender entstanden?

Den 29. Februar gibt es nur alle vier Jahre – in den Schaltjahren. Doch warum ist das so und wie sind unsere Vorfahren draufgekommen?

FNR