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Bereits vor mehr als 1.700 Jahren brauten die Gallorömer bei Goeblingen (Luxemburg) Bier. Wieso gehen die Archäologen davon aus und wie lautete das antike Rezept?

Eine mögliche Brauerei in der gallorömischen Villa von Goeblingen

Die Ruinen der gallorömischen villa rustica von Goeblingen-„Miecher“ liegen in einem kleinen Wäldchen zwischen den Ortschaften Goeblingen, Simmer und Nospelt an der heutigen CR 189. Die ab dem frühen 1. Jahrhundert n. Chr. erbaute Anlage umfasst eine umwallte und bebaute Fläche von fünf Hektar mit mindestens sieben Steingebäuden und zählt zu den größeren gallorömischen Gutshöfen der Provinz Gallia Belgica. Neben drei teils luxuriösen Wohngebäuden und einem kleinen Heiligtum vervollständigen drei Wirtschaftsgebäude das heute bekannte Bild.

Nach neusten Erkenntnissen könnte eines dieser Nebengebäude nach einigen Umbauten ab dem 3. Jahrhundert n. Chr. zur Produktion von Bier gedient haben. Estrichböden, zwei wasserdichte Becken, zwei Darren (Vorrichtung zum Trocknen von Getreide), zahlreiche Feuerstellen und ein fragmentierter Mühlenstein liefern den „d’Georges Kayser Altertumsfuerscher“ (GKA) und den Archäologen vom Centre National de Recherche Archéologique (CNRA) die nötigen Hinweise, um von der bisher ältesten Bierbrauerei in Luxemburg auszugehen: Die Estrichböden dienten zum Lagern, die Becken zur Keimung und die Darren zur Mälzung des Getreides. Nachdem das mittels Mühlen zerkleinerte Malz erhitzt wurde, ließ es sich in Maischebecken zu Bier umwandeln.

Luftaufnahme der Brauerei während den Ausgrabungen (Copyright GKA)

Überreste der großen Darre (Copyright GKA)

Ausschlagebendes Argument im August 2017

Die Entdeckung eines 5000 Liter fassenden Wasserbecken im August 2017 bestätigte die bereits vor einem Jahr getätigte Vermutung einer örtlichen Brauerei. Ein entgültiger Nachweis könnte jedoch ausschließlich die kostenaufwendige Analyse von entnommenen Bodenproben liefern.

Angesichts der Größe der Anlage kann sogar von einer industriellen Produktion ausgegangen werden. Als möglicher Abnehmer könnte der sogenannte vicus (lateinisch für Dorf) von Mamer-Bartringen in Frage kommen. Im 4. Jahrhundert wurde wahrscheinlich nur noch in einem kleineren Umfang für den Eigenverbrauch gebraut.

Gut erhaltenes Maischebecken mit einem Fassungsvermögen von 5.000 Litern (Copyright GKA)

Leicht verderbliches Bier

In Goeblingen-„Miecher“ scheint, zumindest zeitweise, der komplette Bierherstellungsprozess stattgefunden zu haben. Diese außergewöhnliche Tatsache wirft einige Fragen auf, beschränken sich doch etliche der wenigen bekannten, mit Bierherstellung in Verbindung gebrachten Anlagen auf die Produktion von Malz. Eine Erklärung liefert der geringe Alkoholgehalt des gallorömischen Bieres: es war schneller verderblich und musste folglich zeitnah verwertet werden. In Kontakt mit Sauerstoff oder einem Gärungsmittel konnte sich Essigsäure bilden. Das Bier musste daher in gründlich gereinigten und verschlossenen Behältern aufbewahrt und in kühlen Kellern gelagert werden. Aufgrund der Tatsache, dass das Bier weiter gärte, mussten diese Behälter druckresistent sein. Die Lagerung und das Abzapfen aus einem Holzfass sowie der Transport über weite Strecken war demnach nicht, bzw. sehr begrenzt möglich.

Reines Malz jedoch konnte ohne Probleme in Säcken gelagert, transportiert und veräußert werden. Der eigentliche Brau- und Fermentationsprozess geschah dann an einem anderen Ort und in leichter absetzbaren Quantitäten, beispielsweise in einem vicus oder einer Herberge.

Wer trank das gallorömische Bier und wie kam es an?

Glaubt man antiken Autoren, wie Poseidonios, Marcellus oder Dioskurides wurde günstiges Gerstenbier von der gallischen Unterschicht getrunken. Die Mittelschicht bevorzugte teuereres Weizenbier, das mit Honig vermengt wurde, während die Oberschicht sich eher dem Wein widmete. Plinius der Ältere schlug in seinen Schriften unterdessen jedes Mal einen angewiderten Ton an, sobald er über Bier berichtete und hob die Vorzüge des Weines ausführlich hervor. So berichtet er, dass die Gallier „dergleichen Säfte unvermischt und (...) nicht, wie die Weine, durch zugegossenes Wasser, gemäßigt (haben).“

Wie wurde das gallorömische Bier hergestellt?

Die Herstellung von Bier in der gallorömischen Zeit unterscheidet sich ein wenig von der heutigen Bierproduktion. Benötigt wurde an erster Stelle Getreide, meistens Gerste oder Weizen. Dieses wurde gedroschen und von Schalenresten sowie weiteren Unreinheiten befreit. Der nötige Keimprozess wurde in einem Wasserbecken, in dem das Getreide während vier bis fünf Tagen eingetaucht wurde, eingeleitet. Auf einem trocknen, ebenen Estrichboden keimte das Getreide für acht bis zehn Tage und musste regelmäßig gewendet werden. Üblicherweise wurden die kälteren Monate bevorzugt; 15 Grad Temperatur durften nämlich nicht überschritten werden.

Vor der nächsten Etappe wurden erste Wurzelanlagen und Sprossen des Getreides mittels Siebtrommeln oder speziellen Schaufeln entfernt. Anschließend wurde das Getreide in einer Darre während mehr als acht Stunden bei unter 85 Grad getrocknet. Das auf diese Weise entstandene Malz wurde fein geschrotet.

Beim nun folgenden Brauprozess wurde das Malzmehl mit 65 Grad warmem Wasser vermengt und in Keramiktöpfen, metallenen Kesseln oder Becken auf 75 Grad erhitzt. Ziel war es, die im Getreide enthaltene Stärke in zuckerhaltige Maische umzuwandeln. In einem weiteren Becken fermentierte die abgekühlte Maische durch Zugabe von Hefe während drei bis vier Tagen bei 12 bis 20 Grad. Ein hefehaltiger Schaum bildete sich an der Oberfläche. Dieser wurde abgeschöpft, in flüssiger oder getrockneter Form aufbewahrt um einem späteren Fermentationsvorgang hinzuzufügen. Nachdem der Zucker der Maische sich in Alkohol umgewandelt hatte, war der Bierherstellungsprozess vollendet. Das fertige Bier wurde meistens in Tongefäße umgefüllt. Forschungen ergaben, dass es in der Antike möglich war 100 Liter Bier aus 500 kg Gerste herzustellen.

Die Frage ob das antike Bier den heutigen Geschmack getroffen hätte, lässt man besser unbeantwortet. Die Gallier liebten es. Den Römern schmeckte es jedoch eher nicht.

Autor: Yves Lahur
Foto (C) GKA (Römervilla in Goeblingen)

 

Literatur

LAHUR Y. 2015. Die villa rustica von Goeblingen-„Miecher“. Den Ausgriewer, 26, 34 – 45.

LAHUR Y. 2015. „D’Georges Kayser Altertumsfuerscher a.s.b.l.“ und die villa rustica von Goeblingen-„Miecher“. Archäologentage Otzenhausen. Archäologie in der Großregion, 1, 211 – 222.

LAUBENHEIMER F., OUZOULIAS P., VAN OSSEL P. 2003. La bière en Gaule. Sa fabrication, les mots pour le dire, les vestiges archéologiques : première approche. Revue archéologique de Picardie, 1-2, 47-63.

Infobox

Infobox zur villa rustica von Goeblingen-„Miecher“

Entdeckt wurde die villa rustica im Jahr 1964 durch den Nospelter Pfarrer Georges Kayser. Mithilfe seiner Messdiener und weiteren Freiwilligen konnte er zwei Gebäude freilegen. Um nach seinem Tode im Jahre 1988 die Ausgrabungen fortzuführen, wurde 1989 der Verein „d’Georges Kayser Altertumsfuerscher“ (GKA) gegründet. Bis zum heutigen Tage graben die Vereinsmitglieder auf ehrenamtlicher Basis weitere Strukturen aus und erforschen die Anlage.

Infobox zu den „d’Georges Kayser Altertumsfuerscher“

Sie wollen mitmachen oder interessieren sich für den Verein, dessen Museum und andere Ausgrabungen oder Aktivitäten? Unter http://www.gka.lu finden Sie weitere Informationen.

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