(C) Uwe Hentschel

Christian Ries a organisé le 9ème Congrès international sur les invasions à Vianden.

Indisches Springkraut und fremde Moskitos: In Europa siedeln sich immer mehr Neobiota an, die dort nicht hingehören. Und die durchaus zum Problem werden.

Der Verantwortliche ist für Christian Ries schnell ausgemacht. „Schuld ist eigentlich immer der Mensch“, sagt der Biologe vom Musée national d’histoire naturelle (MNHN). „Denn von alleine kommt nichts.“ Natürlich führe auch der Klimawandel zu Veränderungen der Vegetation und Tierwelt, räumt er ein, „doch das sind Prozesse, die sich über Jahrtausende ziehen“. Die Ausbreitung invasiver Pflanzen (siehe Infobox) wie beispielsweise dem aus dem Kaukasus stammenden Riesenbärenklau, dem Japanischen Knöterich oder dem Indischen Springkraut hätten die Menschen selbst zu verantworten.

„Die Hauptursache ist der weltweite Handel mit lebenden Pflanzen. Und da die Pflanzen auch noch mit den Töpfen auf die Reise gehen, importieren wir die Pilze gleich mit“, erklärt Ries und nennt als extremes Beispiel einen Pilz aus China, „der ursprünglich zwar keinen Namen hatte, der es aber geschafft hat, innerhalb kürzester Zeit den gesamten Eschenbestand Europas zu gefährden“. Betroffene Bäume erkennt man vor allem an den auffälligen Welkerscheinungen, die ein frühes Abfallen der Blätter zur Folge haben. Junge Eschen können so innerhalb nur eines Jahres absterben. In Luxemburg sei dieser Pilz 2012 das erste Mal beobachtet worden, so der Wissenschaftler. „Und bereits 2014 gab es so gut wie keine gesunde Esche mehr.“

Erfassung der Moskitoarten in Luxemburg

„Das Problem ist, dass der Pilz und die Esche eigentlich Null Affinität haben, weil sie sich vorher auch nie begegnet sind“, erklärt der Biologe. Der Baum habe deshalb gar nicht die Möglichkeit gehabt, eine Resistenz zu entwickeln. „Und deshalb stößt der Pilz auf ein Opfer erster Wahl.“ Das erklärt auch, warum asiatische Eschen nicht betroffen sind. Sie haben sich mit dem Pilz arrangiert. Inzwischen arbeiten viele Forschungsteams daran, die Resistenz der europäischen Eschen zu verbessern. So ist ein kleiner Anteil der heimischen Eschen durchaus immun gegen den Pilz.

Es sind aber nicht nur Pflanzen und Pilze, die sich hier als invasive Art ausbreiten, sondern auch Tiere. Wie zum Beispiel Moskitos, die gefährliche Krankheitserreger übertragen können. Ries weiß das aus eigener Erfahrung. Er selbst wurde vergangenes Jahr in Wien von einem Moskito gestochen und mit dem aus Afrika stammenden West-Nil-Virus infiziert. Es habe Monate gedauert, bis er wieder richtig fit gewesen sei, sagt er.

„In Deutschland gibt es nachweislich 49 Arten von Moskitos und darunter auch drei invasive Arten“, sagt Ries. „Inwieweit das auch für Luxemburg gilt, wissen wir nicht“, erklärt er, „doch da wir hier kein Meer und kein Hochgebirge haben, schätzen wir den Bestand bei uns auf 20 bis 30 Arten.“ Wie viele es tatsächlich sind und wie hoch der Anteil invasiver Arten ist, wird nun mit Hilfe von Fallen ermittelt.

Von 1000 eingeschleppten  Arten wird nur eine zu invasiven Art

Allerdings ist nicht längst jedes eingeschleppte Moskito oder jede importierte Pflanze und damit jede Neobiota eine Bedrohung beziehungsweise invasive Art, wie Ries erklärt. „Von 1000 Arten überleben nur rund 100 das erste Jahr, davon wiederum schaffen es auch nur zehn, sich wirklich zu etablieren. Und von diesen zehn wird höchstens eine zur wirklich invasiven Art“, sagt er. „Sie schlummern dann meist auch erst ein paar Jahrzehnte, bevor sie aktiv werden“, sagt er.  Das Indische Springkraut, das im 19. Jahrhundert importiert worden sei, habe sich auch erst nach längerer Zeit zur invasiven Art entwickelt.

Europa ist aber nicht nur Importeur, sondern auch Exporteur invasiver Arten. Denn so wie sich das Indische Springkraut bei uns ausbreitet, sind die Nordamerikaner mit der Nickenden Distel geplagt. Dort ärgern sich vor allem Landwirte über die Pflanze, da sie sich auf Ackerland und Weiden ausbreitet und nur mühsam bekämpfen lässt. Der Korbblütler, der aus dem eurasischen Raum stammt, ist zudem inzwischen auch in Australien, Neuseeland, Chile und Südafrika sesshaft geworden.

Internationaler Kongress über biologische Invasionen in Vianden

Das Phänomen der Neubiota ist also ein weltweites, weshalb sich auch die Wissenschaft rund um den Globus damit befasst. Und die neusten Erkenntnisse aus dieser Forschung werden nun in Vianden gebündelt. Dort nämlich findet der 9. Internationale Kongress über biologische Invasionen statt. „Es ist eine der wichtigsten Konferenzen über invasive Arten weltweit und sie umfasst alle Kontinente sowie alle Arten von Lebewesen, seien es Pilze, Pflanzen, Tiere, Bakterien oder Viren“, sagt Ries, der diese Veranstaltung organisiert.

Welchen exzellenten Ruf dieser Kongress genießt, zeigt das große Teilnehmerfeld. „Es wurden insgesamt 239 Beiträge eingereicht, von denen wir die 56 besten für Vorträge ausgewählt haben und die übrigen als Poster präsentiert werden“, erklärt der Organisator. Drei Tage lang werden sich die Forscher mit den unterschiedlichsten Formen invasiver Arten befassen. Ries ist froh, dass es ihm gelungen ist, diesen Kongress nach Luxemburg zu bekommen: „Das ist wirklich das Forum, bei dem sich die größten und anerkanntesten Experten aus diesem Forschungsbereich treffen.“

Autor: Uwe Hentschel
Foto: Uwe Hentschel

Infobox

Neobiota und invasive Arten

Als Neobiota bezeichnet man nichtheimische Pflanzen, Tiere, Pilze und Bakterien.  Während die meisten von ihnen auf die heimische Flora und Fauna keine negativen Einflüsse haben, gibt es auch welche, die die von ihnen befallenen Lebensräume schadhaft beeinflussen – sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich. Gemäß EU-Definition werden Neobiota als invasive Arten bezeichnet, wenn sie zum einen außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets auftauchen und zum anderen das biologische Gleichgewicht bedrohen.

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