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Ab 2030 könnten auf den Straßen vollkommen autonom gesteuerte Fahrzeuge unterwegs sein.

Um die Entwicklung autonomer und vernetzter Fahrzeuge voranzutreiben, richten Frankreich, Deutschland und Luxemburg eine gemeinsame Teststrecke ein.

Die Automobilbranche ist im Umbruch – keine Frage. Entscheidend für den Wandel ist allerdings nicht nur die Frage, wie unsere Autos in Zukunft angetrieben werden, sondern auch, welche Rolle das Auto zukünftig in unserem Alltag spielen wird. Und bei der Suche nach Antworten könnte Luxemburg eine entscheidende Rolle spielen.

So wurde auf der internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt von Entwicklunsgminister François Bausch, Wirtschaftsminister Etienne Schneider gemeinsam mit dem deutschen Verkehrsminister Alexander Dobrindt sowie Guillaume Poupard, Generaldirektor der französischen Behörde Agence nationale de la sécurité des systèmes d‘information, eine  Vereinbarung unterzeichnet.  Diese sieht vor, dass Luxemburg, Frankreich und Deutschland eine gemeinsame Teststrecke für vernetztes und automatisiertes Fahren einrichten. Und zwar nicht irgendwo auf der grünen Wiese, sondern auf bereits vorhandenen Straßenabschnitten.

Teststrecke führt über die A3 und A13

Luxemburg schließt sich damit dem schon länger geplanten Vorhaben der beiden Nachbarländer an. Ursprünglich sollte die Teststrecke nur von Metz über Saarbrücken bis nach Merzig führen. Nun kommt auf Luxemburger Gebiet auch noch der A13-Abschnitt zwischen der deutschen Grenze und dem Autobahnkreuz Bettembourg hinzu, von wo aus es dann über die A3 wieder nach Frankreich geht.

Für Jean Schiltz schließt sich damit der Kreis. Und das nicht nur im Straßennetz, sondern auch mit Blick auf den Forschungs- und Unternehmensstandort Luxemburg. Bis vor einem halben Jahr war Schiltz noch als Konzeptleiter in der Entwicklung bei Volkswagen tätig. Nun arbeitet er als Berater für das luxemburgische Wirtschaftsministerium, ist dort in der Abteilung für nachhaltige Technologien zuständig für das Themenfeld Smart Mobility.

Demnächst Tesfahrzeuge ohne Fahrer auf luxemburgischen Straßen unterwegs?

All dies wird aber nicht bedeuten, dass auf der Autobahn demnächst Testfahrzeuge ohne Fahrer unterwegs sein werden. „Sowohl in der luxemburgischen als auch in der deutschen und französischen Straßenverkehrsordnung  ist geregelt, dass immer jemand hinter dem Steuer sitzen muss“, sagt Schiltz. Und das könne man nicht so einfach ändern. Wie Schilz erklärt, würden die Partner im ersten Schritt zunächst einmal die Erprobungsschwerpunkte definieren, bevor es zur praktischen Umsetzung komme. Ganz abgesehen davon, dass der Weg zu vollautomatisierten Fahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr ohnehin noch ein recht langer sei.

Was können autonome Autos bereits und bis wann werden sie komplett alleine fahren können?

So gibt es seit Anfang 2014 eine internationale Norm (SAE J3016), mit der die Stufen des autonomen Fahrens im Straßenverkehr definiert werden. Level 0 steht für Fahren ohne unterstützende Systeme und Level 5 für vollautomatisiertes Fahren. Stand der zugelassenen Technik im Straßenverkehr ist derzeit Level 2. Das heißt: Erste Fahrzeuge verfügen bereits über Assistenzsysteme, die es dem Fahrer erlauben, das Lenkrad in bestimmten Situationen für kurze Zeit loszulassen. Ermöglicht wird das unter anderem durch den Einsatz von Stereokameras und Sensoren rund um das Fahrzeug.

In der nächsten Stufe (3) folgt bereits das bedingte autonome Fahren – allerdings mit der Erwartung, dass der Fahrer auf Anforderung jederzeit eingreifen kann. Die Rückenlehne zurückklappen und zwischendurch ein kleines Nickerchen halten, bis er vom System geweckt wird, kann der Fahrer also erst ab Level 4. Und das Fahren komplett dem Fahrzeug überlassen ist schließlich ab Stufe 5 möglich. Experten und Automobilhersteller wie beispielsweise BMW gehen davon aus, dass damit im Straßenverkehr ab 2030 zu rechnen ist.

Vernetzung der Fahrzeuge hilft, Unfälle zu vermeiden

Für Autofahrer bedeutet das, dass sie ihre Zeit im Fahrzeug zukünftig sinnvoller nutzen können. Den Parkplatz sucht das Fahrzeug nach der Ankunft am Zielort auch alleine. Und weil auf dem Parkplatz dann auch keiner mehr ein- und aussteigen muss, kommt das autonome Gefährt mit einer deutlich schmaleren Parkbucht zurecht.

Und nicht nur das. „Durch die Vernetzung der Fahrzeuge können wichtige Daten ausgetauscht werden“, erklärt Schiltz. So wurde beispielsweise am VehicularLab der Uni Luxemburg bereits ein System entwickelt, das auf eine Kommunikation zwischen den Fahrzeugen setzt. Aufgrund der Daten, die das eigene Fahrzeug von anderen Autos im Verkehr empfängt, kann es an den Fahrer eine Geschwindigkeitsempfehlung abgeben, um so den Verkehrsfluss zu optimieren und Unfälle zu vermeiden. Der Smart-Mobilty-Experte sieht in dieser Vernetzung die Möglichkeit, die Sicherheit zu erhöhen. Gleichzeitig könne auch das Verkehrsaufkommen in Luxemburg langfristig reduziert werden.

Statt jeden Tag mit dem eigenen Auto zur Arbeit zu fahren und viel Zeit im Stau zu verbringen, werde man zukünftig vielleicht deutlich flexibler und auch schneller sein. „Ich nehme zum Beispiel das autonome Shuttle zum Bahnhof, fahre von dort mit der Tram weiter und lege den letzten Kilometer dann mit dem E-Bike zurück“, sagt Schiltz. Welches Verkehrsmittel in der jeweiligen Situation das richtige sei, verrate einem der Blick auf das Smartphone.

Luxemburg auf dem Gebiet der Kommunikationstechnologie bereits sehr aktiv

„Ein wichtiger Aspekt ist dabei das Datenmanagement, die Datensicherheit und die Datenspeicherung“, erklärt Schiltz. So gebe es innerhalb der EU den Konsens, dass die sicherheits- und verkehrsrelevanten Daten frei zugänglich sein sollen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. „Wir haben in Luxemburg den Vorteil, dass wir hier keine favorisierten Autohersteller vor Ort haben“, sagt er. Insofern könne das Großherzogtum nicht nur aufgrund seiner geografischen Lage, sondern auch wegen seiner Neutralität für die Verwaltung der Daten interessant sein.

Darüber hinaus gebe es im Land bereits viele Experten, die auf diesem Gebiet tätig seien, erklärt Christian Tock, Leiter der Abteilung Nachhaltige Technologien. „Luxemburg investiert sehr viel in die Informations- und Kommunikationstechnologie“, sagt er. Ziel seiner Abteilung sei es, die bereits bestehenden Unternehmen bei ihrer Entwicklung in diesem  Bereich zu unterstützen und ein günstiges Umfeld für diejenigen zu schaffen, die sich hier ansiedeln wollen.

Das Problem: Der Mensch gewöhnt sich schnell daran

„Früher war es einfach, ein Auto zu testen“, erklärt Tock. „Man brauchte nur ein Fahrzeug und eine Teststrecke.“ Heute sei das weitaus komplizierter, da man zunächst die entsprechende Infrastruktur benötige und zudem auch sämtliche zuständigen Behörden und Ministerien mit eingebunden werden müssten. „Ich denke, dass wir da in Luxemburg aufgrund der überschaubaren Größe und der guten Kontakte untereinander schneller agieren können“, so Tock.  Er sehe für Luxemburg jedenfalls die Chance, sich „in dem kreativen Prozess positiv zu positionieren“.

Allerdings gibt es in der ganzen Entwicklung einen Faktor, der nicht zu unterschätzen ist. Und das ist der Mensch. „Der Einsatz von automatisierten Systemen ist durchaus auch kritisch zu sehen, weil sich der Fahrer sehr schnell daran gewöhnt“, sagt der Smart-Mobility-Experte Schiltz.  „Reflexe, Aufmerksamkeit und Muskelspannung lassen nach“, erklärt er. Und das könne in Level 3, wo der Fahrer auf Anforderung die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen müsse, bedeuten, dass der Fahrer innerhalb wenigen Sekunden von Ausruhen auf Hellwach umschalten müsse. Bis der Fahrer sich also wirklich entspannt zurücklehnen kann, dauert es also noch ein paar Jahre. So lange bleibt er der Herr über sein Fahrzeug. Ob er will oder nicht.

Autor: Uwe Hentschel

Foto: Shotshop

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