(C) University of Luxembourg

„Wenn wir Integration als Prozess sehen, der das Ziel hat, am sozialen und ökonomischen Leben eines Landes teilzunehmen, dann müssen wir Sprache als Kommunikationsvehikel verstehen“, so die neuseeländische Soziolinguistin, die seit 2009 an der Universität Luxemburg lehrt und forscht: „In einem mehrsprachigen Land bedeutet das, dass mehrere sprachliche Wege ans Ziel führen können.“

Individuelle Faktoren entscheiden

Das jeweilige soziale Umfeld spielt dabei im individuellen Fall ebenso eine Rolle wie die Motivation oder das Alter der Person, so Julia de Bres: „Bei Kindern, die neu nach Luxemburg kommen, kann es sehr sinnvoll sein, wenn sie Luxemburgisch lernen, während es für einen Erwachsenen mit Blick auf das Berufsleben in vielen Fällen sinnvoller sein mag, zunächst Französisch zu lernen.“

Letzteres schließe übrigens nicht aus, dass besagter Erwachsender dann später von sich aus das Bedürfnis entwickelt, Luxemburgisch zu lernen: „Wer sich z.B. mit seiner portugiesischen Muttersprache oder mit Hilfe des Englischen ein soziales Netzwerk aufgebaut hat, der wird vielleicht Lust bekommen, Luxemburgisch zu lernen, um sich hier noch etwas wohler zu fühlen.“

Integration als flexibles Konzept

In jedem Falle hätten ihre eigenen Studien zu Sprache und Integration diese Ergebnisse erbracht, so Julia de Bres (siehe Infobox) – wobei sie den Begriff „Integration“ neuseeländisch definiert: „In Neuseeland als Einwanderungsland bedeutet Integration ein flexibles Konzept, während in Europa oftmals von dann Integration die Rede ist, wenn eigentlich Assimilation gemeint ist.“ 

Bei derlei „gleichmacherischen“ Ansätzen spiele der Faktor Landessprache eine wesentliche – eine exkludierende Rolle –, so Julia de Bres weiter: „Nach wie vor wird das Erlernen der Landessprache oft mit Integration gleichgesetzt, was einer veralteten Denkweise entspringt und zudem außer Acht lässt, dass es weit mehr bedarf als nur Sprachkenntnisse, um in einer Gesellschaft anzukommen.“

Realitätsnahes Modell entwickeln

Echte Integration hingegen sei ein vielschichtiger Prozess, und gerade in einer mehrsprachigen Gesellschaft wie Luxemburg sei zudem die damit einhergehende Sprachfrage komplexer als anderswo. Auch vor diesem Hintergrund sieht sich Julia de Bres auf einem außerordentlich spannenden akademischen Neuland angelangt, was ihre Forschungsarbeit hierzulande angeht.

Dieses Neuland „beackert“ sie mit einem dynamischen Modell: „Die existierenden Modelle sind statisch und spiegeln nur bedingt die Realität wieder. Das gilt sowohl für die oft postulierte dreisprachige Gesellschaft als auch für den identitätslastigen einsprachigen Ansatz. Unser Ziel ist es, ein Modell zu entwickeln, das alle kulturellen Einflüsse in allen Lebensbereichen berücksichtigt.“

Autor: Sven Hauser
Foto 
© uni.lu

Infobox

Aktuelle Forschung: Menschliche Aspekte als Motivation

 

In einer im Jahr 2009 durchgeführten Studie hat Julia de Bres sich mit den Gründen auseinander gesetzt, die Grenzgänger dazu bewegen, Luxemburgisch zu lernen. Dabei kam heraus, dass dem sowohl eine sogenannte instrumentelle Motivation als auch eine integrative Motivation zugrunde lag. Erstere steht für den Wunsch zu verstehen und verstanden zu werden, letztere ist als Ausdruck von Respekt und Freundlichkeit zu verstehen. Laut Julia de Bres sind dies menschliche Aspekte, die auch bei in Luxemburg wohnenden Ausländern eine Rolle spielen.

 

Neues aus der Wissenschaft Die wichtigsten Neuigkeiten aus der Forschung in Luxemburg - Mai 2022

Körperliche Aktivität reduziert den Schweregrad von COVID-19 und bald werden Satelliten in der Lage sein, selbstständig ...

Arbeitsmarkt Wie bestimmte Faktoren die Chance auf eine erfolgreiche Bewerbung beeinflussen

Wenn eine Phase der Arbeitslosigkeit im Lebenslauf auftaucht, kann das die Jobsuche erschweren, muss aber nicht. Entsche...

Neues aus der Wissenschaft Neuigkeiten aus der Forschung in Luxemburg – Dezember 2021

Forscher haben therapeutische Möglichkeiten aufgezeigt, um die durch COVID-19 verursachte Hyperentzündungen zu verhinder...

Auch in dieser Rubrik

Gesellschaft Wie verbreitet ist Rassismus in Luxemburg?

Gegen Rechtsextremismus und Rassismus, für die Demokratie: Über eine Million Menschen gingen kürzlich in Deutschland auf die Straße. Ein LISER-Forscher über die Stimmung in Luxemburgs Gesellschaft.

Outstanding Scientific Achievement FNR Awards 2023: Geschichte aus einer digitalen Perspektive

Fréderic Clavert wurde in der Kategorie "Outstanding Scientific Achievement" für die FNR Awards 2023 ausgewählt.

Familie und Beruf Die Entwicklung des Elternurlaubs in Luxemburg aus Sicht einer Wissenschaftlerin

Welche Auswirkungen hatten Änderungen in der Elternurlaubspolitik? Und wie sieht der Elternurlaub in Luxemburg im Vergleich zu dem in anderen Ländern aus? Dr. Marie Valentova vom LISER im Interview.

residential building construction site and sunset
Wahlkampfthemen 2023 – Wohnungsbau Die Wohnungskrise in Luxemburg aus Sicht der Wissenschaft – Fragen an Experten

Was sind die Gründe für die Wohnungskrise? Und welche Maßnahmen könnten helfen, die Situation zeitnah und nachhaltig zu entschärfen? Wir haben zwei Wissenschaftler gefragt.